Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan
Fotos: Stadtarchiv Olching (Sammlung Scherer) – Text: Petra Neumaier
Die Geschichte des Olchinger Sees beginnt eigentlich mit einem Ende. 1940, also vor 85 Jahren, stellte die Münchner Baufirma Leonard Moll den Kiesabbau auf der einstigen Streuwiese ein. Auftraggeber war die Reichsbahn, die für den Ausbau des geplanten Rangierbahnhof Nord in München eine Menge Kies brauchte. Doch der Krieg machte dem Vorhaben ein rasches Ende. Was nach rund zweijähriger Buddeltätigkeit zurückblieb, war in Olching ein bis zu sechs Meter tiefes, großes und hässliches Loch – damals auch „Moll See“ genannt. Denn der Natur sei Dank füllte er sich rasch mit glasklarem Grundwasser, kleine und große Pflanzen eroberten die Ufer zurück und geboren war der größte Badesee und einer der schönsten Naherholungsgebiete im weiten Umkreis.
Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg pilgern die ersten Erholungssuchenden aus der Umgebung regelrecht nach Olching. Das saubere Wasser des 14 Hektar großen Baggersees hatte sich herumgesprochen – ebenso beim Sportfischereiverein der Eisenbahner, die das östliche Ufer in Beschlag nehmen.
In den 1950er Jahren versucht der damalige Olchinger Bürgermeister Mathias Duschl bereits, die Ufergebiete des Sees für die aufstrebende Gemeinde der Deutschen Bundesbahn abzukaufen. Doch erst 1965 geht es voran. Auf Initiative des Münchner Oberbürgermeisters Hans-Jochen Vogel und des – nun – Brucker Landrats, Mathias Duschl wird der „Verein zur Sicherstellung überörtlicher Erholungsgebiete in den Landkreisen um München“ gegründet. Trotz des starken Kaufinteresses von Privatleuten gelingt es dem Verein jetzt, die gesamten sieben Hektar Süd- und Ostufer sowie 10 000 Quadratmeter des Nordufers zu kaufen oder zu pachten. 1968 beginnt der Ausbau des Areals mit dem ersten Bauabschnitt.
Die beiden größten Probleme damals (und eigentlich noch heute): die Maulwurfsplage auf den Wiesen und die viel zu kleine Anzahl von Parkplätzen. Nur 400 Fahrzeuge finden auf den beiden Parkflächen Platz. Erst beim dritten Bauabschnitt kann auf weitere 300 Plätze erweitert werden, später kommen noch einmal 300 dazu. Der Andrang (überwiegend Münchner) ist an schönen Sommertagen trotzdem kaum zu bewältigen. Kilometerlange Staus Richtung See sind die Folge, kein „vor-und-zurück“ in der Ascherbachstraße. Parkverbote werden ignoriert und ohnehin ist die Straße an den Bahnunterführungen nur einspurig befahrbar. So beginnt und endet so mancher Badeausflug im heißen Fahrzeug.
Am 3. Juni 1969 regnet es jedoch in Strömen, als vor laufenden Kameras und in Blitzlicht-Gewitter der Fotografen der Olchinger See an den Bürgermeister, stellvertretend für die Gemeinde, übergeben wird. Damit ist die Gemeinde auch für den Unterhalt und die Betreuung zuständig – die Kosten übernimmt der Landkreis beziehungsweise der Verein. 50 000 Quadratmeter Liegewiese stehen jetzt zur Nutzung zur Verfügung, dazu zwei Kinderspielplätze, ein Bolzplatz, Toiletten und 29 Ruhebänke. In Betrieb geht zudem die Sanitätsstation der Puchheimer Johanniter – von einem vier Meter hohen Turm überwacht die DLRG den Badebetrieb. Kioske und ein Restaurant gibt es auch.
Doch wo Wasser, da lauert auch der Tod: 1970 verhedderten sich zwei Badegäste in den Schlingpflanzen, im Dezember bricht ein Jugendlicher durch das Eis und ertrinkt. Ebenso zählt im Sommer 1971 eine Sechsjährige zu den jüngsten Opfern. Der DLRG plant deshalb eine festverankerte Rettungsinsel in der Seemitte – bis dahin überwachen verstärkt Fußstreifen das Ufer.
Anfang der 1970er Jahre zählt der Olchinger See endgültig zu den beliebtesten Wochenendzielen in der Region München. Ein befestigter Uferweg lädt jetzt auch die Spaziergänger ein. Doch die Hinterlassenschaften der Badegäste sorgen für Unmut. Regelrechte Müllberge türmen sich nach sonnigen Tagen auf den Wiesen. „Ein Saustall“ kommentiert ein Zeitungsberichterstatter.
Im Juni 1972 zieht die Puchheimer Wasserwacht in die Hütte am Olchinger See ein – vorausgegangen waren Reibereien zwischen den Johannitern und der DLRG. Motiviert machen sich die Ehrenamtlichen auch gleich an die Arbeit, reinigen den Uferbereich von Flaschenresten („drei Säcke voll“) und reißen die Schlingpflanzen mit einem Mähbalken aus dem See. Nach wie vor ist der Abfall – trotz vermehrt aufgestellter Tonnen – ein Dauerthema: Beobachtet werden sogar Badegäste, die körbeweise ihren Hausmüll mitbringen und auf dem Gelände entsorgen.
1979 wird der Olchinger See mit dem angrenzenden Schwaigfeld zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Seitdem werden vom Gesundheitsamt auch regelmäßige Wasserproben zur Bestimmung der Wasserqualität entnommen. Meist mit besten Ergebnissen. Nur bei langen oder starken Regenfällen kommt es zu erhöhten Werten von Kolibakterien. Darum werden gegen Ende der 1990er Jahre die Wochenendhäuser, die in dem Ausmaß an dem See gar nicht gestattet gewesen wären, an die Kanalisation angeschlossen. Seit 1. Januar 2005 ist die Stadt Olching allein für den Unterhalt des Olchinger Sees zuständig.
Steckbrief Olchinger See:
Wasserfläche: 14 Hektar
Wassertiefe: bis zu 6,5 Meter
Länge des Wanderweges: ca. 1,5 Kilometer
Besonderheit: Seit 1999 Wasserzugang für Rollstuhlfahrer