Alles Handarbeit
Fotos: Simon Katzer – Text: Petra Neumaier
Bettina Zellhuber ist eine „echte“ Olchingerin. Geboren und aufgewachsen ist sie im Ortsteil Geiselbullach, „bodenständig, heimatverbunden und bayrisch.“ Zur Schule ging sie in Olching und hier wohnt sie noch immer. Und so, wie die 39-Jährige mit ihrer Heimat verwurzelt ist, so ist es das Handwerk in ihrer Familie: Schlosser, Spengler und Maler finden sich in der Familienchronik, dazu kommen Bäcker und ein Schneider. Seit November 2024 ist die Friseurmeisterin nun die erste Frau an der Spitze der Kreishandwerkerschaft – jemals und überhaupt. Auch, weil sie für alles brennt, was mit der Hand gemacht wird. „Und das ist ja eigentlich alles“, sagt die absolut authentische und sympathische Unternehmerin.
Schon als Obermeisterin des Friseurhandwerks war Bettina Zellhuber das offene Ohr für ihre Kolleginnen – für die nächsten fünf Jahre hat sie das für alle ihrer Handwerksbetriebe. Zur Seite stehen ihr der Stellvertreter Andreas Obermaier (Schreinerobermeister) und die Geschäftsstelle der Kreishandwerkerschaft unter der Führung von Andrea Bayreuther.
Ein bisschen nervös ist Bettina Zellhuber der „großen Fußstapfen“ wegen, in die sie als Nachfolgerin von Franz Höfelsauer steigt. „Gerade in den letzten Jahren habe ich erfahren, was für großartige Arbeit der Franz geleistet hat,“ betont sie und würdigt somit den Ehrenkreishandwerksmeister.
Lustig tanzen die braunen Locken im Wind. Amüsiert versucht Bettina Zellhuber die Pracht zu bändigen. Unmöglich. Zu lebendig ist das Haar. Genauso, wie die Trägerin selbst, deren Grübchen sich bezaubernd auf ihren Wangen zeigen, wenn sie lächelt. Und das tun sie oft. In ihrem Friseurladen in Olching, außerhalb der Arbeit und beim Spazierengehen. So wie jetzt am Mühlbach, wenn sie frische Luft schnappt. „Ich gehe gerne raus. Hier, in den Bergen oder im Wald finde ich Ruhe und Kraft“, sagt Bettina Zellhuber, die genießen kann, weil sie weiß:
„Nichts im Leben ist selbstverständlich.“
Das bekam sie schon als Kind quasi in die Wiege gelegt. Werte und der Respekt gegenüber allem und jedem, anderen Kulturen und Religionen, gaben die Eltern an ihre Kinder weiter. Und so lernte sie auch früh: „Alles hat jemand mit der Hand gemacht, also behandle es mit Respekt.“ Einfach kaufen und dann wegwerfen, geht bei ihr bis heute nicht.
Trotz der Liebe zum Handwerk und der „erblichen Vorbelastung“ will sie als junges Mädel zur Kriminalpolizei gehen. „Weil ich gerne mit Menschen verschiedener Gesellschaften Kontakt haben will“, begründet sie. Der Vater überredet sie trotzdem zu einem Praktikum in einem Handwerksbetrieb. Bettina Zellhuber fügt sich – und ist begeistert! Am Ende der Woche bekommt sie die Zusage auf eine Lehrstelle in einem Friseursalon. Sie unterschreibt: „Als Friseurin lerne ich ja auch die gesamte Bandbreite der Gesellschaft kennen – und es ist weniger gefährlich.“
Was Bettina Zellhuber am Handwerk besonders mag? Dass es Generationen und Jahrzehnte verbindet: „Modetrends werden immer wieder neu interpretiert. Die Zeitenwende fordert gerade jetzt Grundwissen und Erfahrung, um sie weiterzuentwickeln. Das macht es spannend.“
Nach sieben Gesellenjahren macht Bettina Zellhuber ihren Meister. Und entdeckt dabei das Friseurhandwerk von einer anderen Seite: aus der Unternehmersicht. 2014 eröffnet sie in Olching ihr eigenes Friseurgeschäft. Als Selbständige und ständig selbst vor neuen Fragen Stehende, sucht sie den Kontakt zur Friseurinnung im Landkreis. „Die Gemeinschaft, der Austausch, das Wissen, die Kompetenz und die Informationen geben bestimmt Sicherheit, es richtig zu machen“, denkt sie und ruft den langjährigen Chef der Kreishandwerkerschaft an: Franz Höfelsauer. Ein paar Tage später ist sie Mitglied der Friseurinnung – und weil sie ja schon mal da ist, hebt sie bei der Vorstandswahl der Sparte die Hand. 2017 war das. Drei Jahre später ist Bettina Zellhuber Obermeisterin der Friseurinnung und damit auch im Vorstand der Kreishandwerkerschaft. Genau zum Lockdown. „Das war schon ein Brocken für die Handwerksbranche“, sagt sie und seufzt. Doch selbst in jener Zeit erlebt sie den Wert der Innung.
„Zusammen haben wir alle durchgehalten.“
2022 wird Bettina Zellhuber die Stellvertreterin von Franz Höfelsauer. Auf diesem Posten hat sie nun alle anderen Handwerkssparten im Blick und stellt fest: „Je mehr ich weiß, desto mehr weiß ich, was ich noch nicht weiß.“ Fasziniert von der Vielfalt der Handwerksberufe und der Unternehmen fällt ihr das Dazulernen nicht schwer. Das und ihr erfrischendes Wesen gefallen Franz Höfelsauer, der nach 15 Jahren einen Nachfolger sucht – und den übrigen Vorstandsmitgliedern. Und so wählen sie Bettina Zellhuber zur Kreishandwerksmeisterin. Damit steht zum ersten Mal in der viele jahrzehntelangen Geschichte der Vereinigung, eine Frau an der Spitze!
Metzger, Bäcker, Schreiner, Bau und Friseurinnung aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck sind in der Kreishandwerkerschaft Mitglied. Als ihr Oberhaupt ist Bettina Zellhuber jetzt „im Auftrag des Handwerks“ unterwegs. Unter anderem ist auch die Freisprechung eine schöne Aufgabe, auf die sie sich freut!
Bettina Zellhuber ist viel auf Antiquitäten- und Flohmärkten unterwegs (die Eltern hatten früher selbst Flohmärte in Geiselbullach veranstaltet), hier hat man unter anderem die Vielfalt des Handwerks und alte Werkzeuge sehen und anfassen können. Und kaufen! Den Föhn von anno dazumal und andere schöne Utensilien hat sie auf Flohmärkten gefunden.
Eine andere Aufgabe stellt sie sich selbst: Bettina Zellhuber will den Nachwuchs für Handwerksberufe interessieren. „Traditionelles Handwerk ist nicht altbacken, sondern die Basis für eine kreative und erfolgreiche Laufbahn“, weiß sie aus eigener Erfahrung. Gute Handwerker würden immer gebraucht, sind gerne gesehen und könnten sogar von einer Künstlichen Intelligenz niemals vollständig ersetzt werden. „Unbefristete Arbeitsverträge, Werte, Sicherheit und Orientierung – all das und mehr bietet das Handwerk“, zählt Bettina Zellhuber auf. Und:
„Handwerk ist wertvoll.“
Die einzige Frage, die sich ihr noch stellt: Wo und wann fängt man an, den Nachwuchs für das Handwerk zu interessieren? Im Kindergarten? In der Grundschule – oder doch erst beim Berufsinfotag. Sie zuckt mit den Schultern. „Wenn die Jugendlichen mit der Schule fertig sind, ist es jedenfalls schon fast zu spät.“ Und das könne für die Gesellschaft einmal fatal werden. Denn:
„Ohne Handwerk funktioniert gar nichts!