700 Songs hat Richard Schießl im Repertoire. Wenn er ein Lied anstimmt, umfasst das Klangvolumen außergewöhnliche dreieinhalb Oktaven. Dabei grenzt diese Sangeskraft fast an ein medizinisches Wunder, nachdem er vor fast 30 Jahren an Stimmbandkrebs erkrankt war und nur dank eines damals neuartigen Medikaments geheilt wurde. Der Olchinger hat weiter gesungen und wäre längst reif für eine Karriere im Showbusiness. Tatsächlich war der 65-Jährige auch schon in diversen TV-Talentshows vertreten, erreichte beim österreichischen Grand Prix der Volksmusik
„Musik ist mein Leben, es macht mich glücklich.“
Rang 22 unter 700 Teilnehmern und schmetterte in der Fußballarena eine neue Vereinshymne des TSV 1860 München. Doch anders als dem Londoner Paul Potts, der nach einer britischen Casting-Sendung zum Opern-Weltstar wurde, fehlt dem singenden Dachdecker aus Oberbayern die zum großen Durchbruch nötigen, Kontakte. Weshalb sich „Ritchie the Voice“ auf die Fans in der Region konzentriert und sich als Alleinunterhalter unter dem Künstlernamen Richard Stern einen Kindheitstraum erfüllt. Hauptsächlich reißt Olchings Stern am Schlagerhimmel ein putzmunteres Partyvolk bei privaten Feiern oder Vereinsfesten mit. Höchst emotional wird es jedoch, wenn er von trauernden Hinterbliebenen für Beerdigungen gebucht wird und auf dem Friedhof das „Ave Maria“ anstimmt.
Dass es niemals still um ihn wird, liegt hauptsächlich an seinem Namen. Denn sobald die Sportfreunde Stiller mit einem neuen Hit in den Charts vertreten sind oder auf Tour gehen, registriert Hans Stiller verstärktes Interesse an seiner Person. Und zwar seit 1996. Damals war er Fußballtrainer beim SV Germering und gab grünes Licht dafür, dass sich seine sportlichen Schützlinge mit seinen Namen schmücken dürfen. Für Sänger Peter Brugger, Drummer Florian Weber und Ex-Gitarrist Andi Ehrhard war das der Anpfiff für eine große Karriere, die zehn Jahre später mit dem WM-Hit „54, 74, 90, 2006“ gekrönt wurde. Hans Stiller, der Namensgeber, wurde ein paar Monate nach der Bandgründung vom FC Emmering als Trainer verpflichtet und war damit auf meinem Sportreporter-Radar gelandet. Was mich etliche Jahre später zu einem Überraschungs-Coup inspirierte, als sich die mittlerweile top-populäre Band zu einem Konzert-Heimspiel unter freiem Himmel vor dem Brucker Kloster angekündigt hatte: Mit Hilfe des Managements, aber ohne die
„ja, ja, passt scho“ waren seine Worte und ist seitdem Namensgeber der Band.
Musiker vorab zu informieren, lotste ich Hans Stiller auf das Podium. Was war das unter dem Jubel der Fans für ein Hallo! Während die „Sportis“ noch immer auf der Bühne stehen, hat sich der 63-jährige Trainer längst vom Rasensport zurückgezogen. Auch der Kontakt zu den Stars ist etwas eingeschlafen. Doch der in Eichenau lebende Stiller ist noch immer „mächtig stolz“ auf seine Schlüsselrolle bei den Sportfreunden. Die wurde erst vor wenigen Wochen in der vom Germeringer Autor Nicola Bardola verfassten Band-Biografie unter dem Titel „Applaus, Applaus“ noch einmal aufgerollt.
Oberbayerns neuer Sportkönig bricht keine Rekorde, springt weder weit noch hoch und schießt auch keine Tore. Vielmehr hat Steffen Enzmann einen Wahlmarathon gegen zwei Mitbewerber gewonnen und ist seit einem halben Jahr Bezirksvorsitzender des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV). Der 60-Jährige lebt in Gröbenzell und thront jetzt in seinem Hoheitsgebiet zwischen Zugspitze und Donau über 1,7 Millionen Sportlern in 3008 Vereinen. Seine Funktionärswurzeln hat Enzmann beim FC Puchheim, wo er als Vereinspräsident erste Einblicke in die Sportpolitik bekommen hat. Seit 14 Jahren berät der gebürtige Stuttgarter als BLSV-Kreisvorsitzender die Brucker Vereine. So lange hatte ich es in meiner Zeit als Sportjournalist noch mit keinem anderen BLSV-Chef zu tun (und das waren vor Enzmann immerhin schon drei). Weshalb der heiße Draht trotz seines Karrieresprungs und meines Rentnerdaseins nicht verglüht ist.
Sportkönig ohne Sportler zu sein.
Wobei sich der Informationsfluss mittlerweile auch auf profanes Niveau bewegen kann. So gestand mir der Sportfunktionär, den ich bislang eher der Gesundheitsfraktion zugeordnet hatte, dass er sich nach einem langen Versammlungsabend zur Entspannung daheim schon mal eine dicke Zigarre gönne. Gleichzeitig erfuhr ich, dass der im eigenen Ein-Mann-Unternehmen tätige IT-Spezialist seinen „mit viel Spaß“ ausgeübten ehrenamtlichen Nebenjob noch so lange ausüben will, „bis ich merke, dass ich nichts mehr bewegen kann“. So wie damals in bewegten jungen Zeiten, als er mit 23 Jahren beim TuS Stuttgart in der 2. Handball-Bundesliga spielte und nach einer Knieverletzung die aktive Sportlerkarriere frühzeitig beenden musste.