Leichtigkeit aus Stahl

Leichtigkeit aus Stahl

Fotos: Simon Katzer, Text: Petra Neumaier

 

Über Helga Backus gibt es keine Artikel im Internet – allenfalls über ihre Kunstmärkte, auf denen sie hunderten von Künstlern Zeit und Raum gibt, ihre Werke zu präsentieren und bestenfalls zu verkaufen. Sie selbst bleibt eher (und vielleicht auch lieber?) im Hintergrund. Nur einmal, und das ist schon acht Jahre her, besuchte sie das Team von München TV, um sie im Rahmen der Sendung „Ortschaft der Woche“ vorzustellen. Die Einfachheit der Dinge, die sie anfertigt, ist ihre Kunst, von der sie sogar leben kann. Weil sie jene perfekt beherrscht. Reduziert in Form und Material, nie zu viel und nicht zu wenig, zart bis kraftvoll und klar in der Aussage – und oft erzählen sie eine Geschichte: ihrer eigenen oder die des Betrachters.

 

Aus alten Schlüsseln, die sie vom Schrottplatz sammelt und die ihr Passanten vorbeibringen, schweißt Helga Backus Schalen. Oft rufen Betrachter dann aus: „Genau so einen Schlüssel hatte ich mal.“

Von der Straße aus ist das kleine Häuschen in dem wild-romantischen Garten in Maisach kaum zu sehen. Der allein schon eine Hingucker ist – mit seiner üppigen Vielzahl an Stauden, alten Obstbäumen und Sträuchern, aus deren Laub fast geheimnisvoll die schönen Arbeiten von Helga Backus schielen. Sie seufzt: „Ich muss hier unbedingt mal wieder was machen“, sagt sie und man hofft, sie lässt es bleiben, so schön und stimmig ist dieses Paradies.

 

Eigentlich ist der erste Sohn Manrico „schuld“ daran, dass seine Mutter, die im medizinischen Sektor tätig war („mein Vater baute als Architekt Kliniken – da war das irgendwie eine logische Folge“) zur Künstlerin wurde. „Denn das Baby hat mich darauf gebracht, dass Mütter auch etwas anderes machen können.“ Zum Beispiel schweißen. Pardon: Schweißen? Sie lacht. „Mir hat eine Stahlskulptur gefallen, die wollte ich selbst anfertigen.“ Na gut! Helga Backus belegt also einen Vhs-Kurs in München (als einzige Frau unter vielen Männern) – und fängt hier regelrecht Feuer.

 

Im Garten ihres schnuckeligen Hauses in Maisach, wo sie seit 40 Jahren wohnt, richtet sie sich eine Werkstatt ein. Bis zu zwei Meter große Skulpturen flext und schweißt sie aus Stahl, den die junge Mutter auf Schrottplätzen (hier holt sie sich das meiste Material) findet. Ohne übrigens zuvor eine Vorstellung davon zu haben, was daraus werden soll. Denn meist begibt sie sich auf eine „unbekannte Reise“, manchmal kürzer, aber immer so lange, bis es passt.

 

Die Kunst, das Gestalten, das Fertigen wird zu ihrer Passion. Helga Backus probiert auch andere Materialien aus: bearbeitet Stämme mit der Kettensäge, modelliert mit Ton, wird Bildhauerin, designt und fertigt Schmuck. Auch wundervoll! Das Metall lässt die Künstlerin bei allem jedoch nicht los. „Was Weiches und Leichtes ist nicht mein Ding“, stellt sie fest. Und Stahl – sie gerät ins Schwärmen: „Die Struktur ist so wunderschön, die Kanten und Ecken, wenn man darüberstreicht. Sooo schön glatt!“

 

Helga Backus kann von ihrer Kunst leben, ohne selbst viel auf Märkten zu sein: Im Sommer ging es an den Bodensee und ins Kloster Fürstenfeld – Berlin und Hamburg hat sie von ihrer Liste gestrichen. Zu anstrengend. Die 61-Jährige stellt aber auch keine großen Ansprüche an ihr Dasein. Seit Corona boomt sogar wieder der Kunstmarkt. „Wer jetzt nichts verkauft, sollte über sein Produkt nachdenken“, rät die Vielseitige.

Das Haus und das Grundstück werden zunehmend zum Atelier. Mit ihrem Wohnmobil und ihren Kunstwerken fährt Helga Backus außerdem auf Märkte in ganz Deutschland. Fast jedes Wochenende in den warmen Monaten des Jahres ist sie unterwegs – bis Hamburg und Berlin. 30 Jahre lang wird sie so auf Achse sein und dabei ein Netzwerk knüpfen, das ihr für das spätere zweite Standbein von höchstem Nutzen sein wird.

 

„Kunst ist das, was gefällt.“

 

Mit der Geburt des zweiten Sohnes Dominik wird klar: Herumreisen geht erst mal nicht. Ein Stellplatz für das Wohnmobil wird gesucht – und auf dem Weiler Anzhofen gefunden. Helga Backus ist begeistert von der Idylle aus Stadln und Wiesen und Obstgarten und hat eine Idee: Warum hier nicht selbst einen Kunstmarkt veranstalten? 26 Jahre ist das Gespräch mit den Bewohnern des Weilers her, die ebenso begeistert sind. Mit dem Baby in der Kraxn räumt Helga Backus den Stall, organisiert 25 Künstler und bestückt mit ihnen das erste „Kunst im Stadl“. Die Kombination aus extravaganter Kunst im volkstümlichen Stadl inmitten der Natur kommt an. „Ein Knaller“, beschreibt Helga Backus die sensationelle Resonanz.

 

Ihr Erstlingswerk steht im Garten – Eisenstangen, zwischen denen Sonnen eingeschweißt sind.

Das Rahmenprogramm (ab dem zweiten Jahr) mit abendlichen Auftritten von Musikern und Kabarettisten wird zwar wegen des immensen Organisations- und Umbauaufwandes nach zehn Jahren eingestellt. Musiziert und performed wird seitdem tagsüber. Mehrere Bühnen gibt es dafür und längst ist die Anzahl der Aussteller auf 100 angestiegen. Die Anfragen überschreiten stets bei weitem die möglichen Standplätze. Helga Backus muss deshalb auswählen, was oft nicht einfach ist. Denn „Kunst ist das, was gefällt“ sagt sie, der viel, aber nicht alles gefällt.

 

Die Lauben im Garten – zusammengestellt aus Fundstücken und eigenen Werken – sind herrlich verwunschene Plätze für gemütliche Plauderstunden. Überhaupt ist der gesamte Garten von Helga Backus eine wunderschöne und natürliche Galerie unter freiem Himmel.

Der Weihnachtszauber, ihr jüngstes „Kind“ (das vermutlich dem ersten Enkel zu verdanken ist), schlägt ebenfalls „wie eine Bombe“ ein. 2018 ist das. Die Besucher strömen zu dem nicht nur „etwas“ anderen (wie der Slogan lautet) sondern „sehr“ anderen Weihnachtsmarkt nach Maisach. Pagoden und Zirkuszelte laden ein – für Aufsehen sorgen die Schneekönigin und ihr Gefolge. Die aufwendigen Kostüme sind von Helga Backus entworfen und zum Teil auch geschneidert. Zweimal kann der Markt vier Tage lang vor und am 4. Adventswochenende stattfinden, dann folgen zwei Jahre Corona-Pause. 2022 die geglückte Wiederaufnahme: noch schöner! Und heuer? Helga Backus schüttelt bedauernd den Kopf. Weil der 4. Advent Heiligabend ist, würden nur drei Tage für den Markt bleiben – zu kurz für den großen Aufwand. „Entweder richtig oder gar nicht.“ – da macht die erfahrene Organisatorin keine Kompromisse. Aber: 2024 gibt es den Weihnachtszauber wieder. Versprochen. Und Helga Backus wäre nicht Helga Backus, wenn in ihrem kreativen Kopf nicht schon eine andere Idee wachsen würde, die sie erst einmal nicht verraten will.

 

Vor zwei Jahren hat sie zusätzlich die Organisation des traditionellen Kunsthandwerkermarkts in Waal (Ostallgäu) übernommen. Da sei die Frage erlaubt: Wie schafft sie das alles? Einen Verleih- und Veranstaltungsservice hat die energiegeladene Frau ja auch noch! Helga Backus winkt ab. Die Familie hilft – der Mann, die Söhne, die Schwiegertöchter. Mag ja sein, Dennoch bleibt rätselhaft, wann sich die 61-Jährige ihrer eigenen Kunst widmet. Was sie nach wie vor tut. Nur vielleicht filigraner und leichter. Weil die Geräte und Materialien mit den Jahren immer schwerer werden. Derzeit wickelt, flechtet und häkelt Helga Backus aus zum Teil hauchdünnem Draht zarte Engel und tanzende Wesen, große und kleine. Oder sie widmet sich der klassischen Bildhauerei, formt aus Ton üppige Frauenkörper oder charakterstarke Köpfe. Oder sie kreiert Schmuck und näht Kostüme und …

 

Nein, langweilig wird es mit Helga Backus nie. Und ihr sowieso nicht. Ohne Unterlass kreisen in ihrem Kopf die Gedanken, was sie hier außerdem tun oder dort verbessern könnte – die Ausnahme-Künstlerin lacht ihr jugendliches Lachen. „Ich habe so viele Ideen! Um die alle verwirklichen zu können, muss ich noch sehr lange weiterleben.“

Loders Welt

"Bei uns steht Zufriedenheit Aller im Mittelpunkt"

"Bei uns steht Zufriedenheit Aller im Mittelpunkt"