Sauwuid und saustark

Sauwuid und saustark

 

Fotos: Simon Katzer, Sauwuid; Text: Petra Neumaier

 

Unterstützt wird die Band von ein paar Sponsoren. Ansonsten werden die Jungs und das Mädel von ihren Eltern und Freunden unterstützt. „Wir halten alle zusammen.

Hunderte von Stimmen erfüllen das AMMER-Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest. Riesige Tabletts mit gegrilltem Bio-Hendl schweben über den Köpfen der Feiernden. Aus allen Richtungen stoßen die Maßkrüge zusammen, ein Prost hier, ein Prost dort. Ausgelassene Stimmung, wohin man sieht. Nur Flo, Chris, Kleo, Sascha und Fabi aus Aich bei Fürstenfeldbruck feiern nicht. Konzentriert sortieren die Jugendlichen auf der Bühne ein Gewirr aus Kabeln, prüfen ihre Instrumente, pusten in die Mikrophone. Ein bisschen nervös vielleicht, aber routiniert. Dann, Schlag 19 Uhr rocken sie los. „Sauwuid“ und „sauguad“.

 

Die Augen von Bandleader Florian Reimer strahlen. „Das letzte Jahr war richtig krass“, sagt er der 24-jährige IT- und Veranstaltungstechniker über die „erste richtige Saison“ mit großen Auftritten auf großen Festen. Und dem größten überhaupt: 17 Tage spielte die wohl jüngste Band aller Zeiten auf der Wiesn – mit sensationellem Feedback: „Das Beste, was wir je hatten“, lobte Festwirt Josef Schmidbauer, der das AMMERR-Zelt in fünfter Generation betreibt. 

 

Der Start

2015: Zur Zeugnisvergabe der Ferdinand-von-Miller Realschule Fürstenfeldbruck im Veranstaltungsforum spielt die zwei Jahre zuvor gegründete Schulband – bestehend aus Flo, Chris, Kleo, Sascha und Fabi. Der Sound, die Professionalität der jungen Hobbymusiker reißt den Ministerialbeauftragten Ernst Fischer vom Stuhl. „Ihr müsst unbedingt weitermachen“, sagt er begeistert.

 

Die Musik

Rock, Metal: „Da sind wir privat eigentlich unterwegs“, gibt Flo zu. Doch 2016 fragen die Aicher Burschen, ob sie auch Partymusik machen können – für ihr Weinfest. Na klar, sagt die Band, probt und spielt. Der erste, richtige öffentliche Auftritt wird ein großer Erfolg.

 

Der Saustoi

Die Band braucht jetzt einen Namen. Der Opa von Flo ist Ideengeber. „So ein Saustoi“ sagt der nämlich, als er in den Keller geht, in dem die Band probt. Und die ist begeistert – ein Logo mit einem „Saukopf“ ist fortan das Markenzeichen.

 

Donnerstagabend treffen sich die nun Sechs unter dem Dach der Doppelgarage – kaum 20 Quadratmeter für Verstärker, Mischpult, silber-schwarze Transportkoffer, Schlagzeug, diverse Gitarren, E-Piano, Quetschn. Und natürlich die Musiker selbst. (von rechts.) Sascha Pakai, Chris Rind, Fabi Eckmann, Flo Reimer, Kleo Leike und Andi Gareis.  

Das Publikum

Anfangs sind die jungen Musiker aufgeregt vor den Auftritten.

Kleo: Aber wenn man fast jede Woche zwei hat, legt sich das schnell.

Chris: Es ist ein geiles Gefühl, wenn man die Leute auf seiner Seite hat.

Flo: Nur einmal war es richtig schwierig, bei einem Gartenfest. Die Leute haben nur miteinander geratscht.

Fabi: Am Schluss war die Reaktion dann doch sehr positiv.

Flo: Und wenn so was die Ausnahme und das andere die Regel ist, kann man das wegstecken.

Kleo: Die meisten machen jeden Schmarrn mit – das ist das Schönste.

Chris: Junge Leute haben mit uns Spaß, alte aber auch. Wisst ihr noch? Auf dem Altstadtfest war ein bestimmt schon 80-Jähriger, der an der Bühne neben 16-Jährigen tanzte.

Flo: Wir haben es meistens geschafft, alle zu erreichen.

 

Der Aufstieg

Immer mehr Auftritte folgen. „Ohne, dass wir uns irgendwo bewerben.“ Auf dem Altstadtfest in Fürstenfeldbruck sorgt „Saustoi“ ab 2017 für Stimmung. Beim Dorffest in Landsberied 2018 sind mehr als 3000 Zuhörer. 2019 steht die Band schon 20-mal auf der Bühne. „Das erste richtige Jahr“, schwärmt Chris. Doch dann kommt die Pandemie und macht nicht nur den gebuchten Auftritt im Brucker Volksfestzelt zunichte.

 

Das Corona

Not macht erfinderisch. Die Band spielt 2020/21 vom Lkw-Anhänger bei den Volksfesten „to-go“: In Puchheim, Fürstenfeldbruck, Mammendorf und Maisach. Dazu machen sie Livestreams. „Es ist wichtig, dass wir nicht vom Publikum und den Veranstaltern vergessen werden.“ Tatsächlich bringt das Virus sie sogar noch weiter:

 

Der Traum

Chris zuckt mit den Schultern. Natürlich ist ein Auftritt auf der Wiesn für alle Bands ein Traum, den nur wenige realisieren dürfen. Und auch sie träumen davon – scherzen: „Wartet nur mal ab, wenn wir auf der Wiesn spielen“ und so. Ha, ha! Und dann? Im Juni 2022 spielen sie im Marthabräu Biergarten. Hier sitzt zufällig der Wirt vom AMMER-Zelt. Die Jungs und das Mädl können kaum glauben, als sie aus heiterem Himmel das Angebot bekommen: 17 Tage zur besten Abendzeit auf der Wiesn spielen! „Ein Glücksgriff“, sagt Chris.  „Ein Ritterschlag“, sagt der Bandleader euphorisch.

 

Die Wiesn

Der erste Abend: Aufregung. Und ein bisschen Nervosität.

Flo: Ich bin krank gestartet. Zwei Tage lang überlegte ich, ob jemand für mich einspringen kann. Wir haben uns dann gegenseitig geholfen und das durchgezogen.

Chris: Das Schönste war die familiäre Atmosphäre des Ammer-Teams. Egal wer, jeder hat sich gefreut, dass wir da sind.

Fabi: Die Bedienungen haben uns beim Anheizen des Publikums unterstützt.

Flo: Das Anstrengendste war, gesund zu bleiben ...

Kleo: … vor allem bei dem Wetter: Durchgeschwitzt in die kalte Nachtluft und dann der Regen und Wind!

Sascha: Man braucht gute Kondition …

Flo: … psychisch war das auch schwer: 17 Tage lang Leute in Feierlaune vor dir und du musst funktionieren.

 

Das tun sie. Bravourös. Der Wirt, die Gäste, die Presse – alle überbieten sich mit Lobeshymnen: „Hochprofessionell“, „ohne Allüren“, „der Wahnsinn“, „saustark“ …

Nach 17 Tagen sind die jungen Musiker erschöpft, aber glücklich – und „richtig traurig“, weil alles vorbei ist. Doch nur für 2022 – auf der neuen Webseite läuft bereits der Countdown für die Wiesn 2023. Die Aicher Band ist wieder gebucht.

 

Sauwuid

Nach dem großen Erfolg auf der Wiesn folgt kurze Ernüchterung: Eine Band aus Ingolstadt, deren Name mit „Saustoi“ beginnt, beansprucht den Namen für sich. „Wir wollen keinen Streit. Deshalb heißen wir jetzt Sauwuid“, erklärt Flo. Der Saukopf darf im Logo bleiben.

 

Die Gage

Fünfstimmiges Seufzen. Denn die Liste der Equipments, die sie gerne hätten, ist längst nicht abgeschlossen.

Chris: Ich hab‘ die halbe Wiesn-Gage in eine neue Gitarre und Kopfhörer gesteckt.

Flo: Wir sind alle so: Was wir verdienen, investieren wir gleich in neue Instrumente oder Anlagen.

Sascha: Das Geld geht aber auch in anderen Dingen weg: Miete, Sprit, Webseite, Banner, Aufkleber …

 

Die Proben

Seit der Wiesn ist Andi dabei, mit Piano und Gesang. Sie kennen sich schon lange und sind sehr froh um den Zugang. Donnerstagabend treffen sich die nun Sechs unter dem Dach der Doppelgarage – kaum 20 Quadratmeter für Verstärker, Mischpult, silber-schwarze Transportkoffer, Schlagzeug, diverse Gitarren, E-Piano, Quetschn. Und natürlich die Musiker selbst. Überall liegen und hängen Kabel – in jeder Ecke stapeln sich volle Bierkästen unterschiedlicher Brauereien: Die Veranstalter meinen es gut mit den Musikern. Von Oktober bis Fasching wird in der Regel einmal pro Woche geprobt – über 100 Titel für ein Vier-Stunden-Programm haben sie drauf. Nur gecoverte Songs – zum Schreiben eigener kommen sie nicht. Der Kalender für 2023 ist schon gut gefüllt.

Kleo: Wir können uns die Auftritte aussuchen.

 

Die Ziele

Von Anfang an war klar: Die Band will und wird keine „Eintagsfliege“ sein.

Flo: Beim Silbereisen auftreten zu wollen, wie in einem Artikel zu lesen war, das war nur ein Scherz.

Chris: Es gibt genügend große Volksfeste in Deutschland ...

Kleo: … und in Bayern. Der Plärrer zum Beispiel, oder das Gäubodenfest. Das wär toll!

Fabi: Wir sind jedenfalls noch lange nicht am Ende.

 

 Sauwuid

 Florian Reimer (24) – IT und Veranstaltungstechniker: Gitarre, Quetschn, Gitarre

Chris Rind (24) – Produktionsplaner und Freischaffender Künstler: Gitarre und Gesang

Kleo Leike (21) – Freischaffende Künstlerin: Gesang

Sascha Pakai (22) – freischaffender Künstler und Musiker: Schlagzeug

Andi Gareis (23) – Azubi Industriekaufmann: Gitarre: Piano

Fabi Eckmann (20) – Azubi Flughafen-Feuerwehr: Bass und Gesang

 

Techniker: Tobias Reimer, Ralf Vonhausen, Jakob Ludwig, Philipp Vonhausen, Maxi Kuhn

 

Ist die Gesellschaft gespalten?

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Der Henker weiß, wo es liegt!

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