Ein Prosit auf das Volksfest

Ein Prosit auf das Volksfest

Fotos: Johannes Simon, Stadt und Gemeindearchive Text: Petra Neumaier

 

Schon vom Weitem ist das lustige Treiben zu hören: Die Musik. Das Prosit im Festzelt. Das Jauchzen von der Achterbahn und das Heulen der Feuerwehrsirenen im Karussell. Es duftet nach süßem Lebkuchen und knusprig gegrilltem Hendl, gebrannten Mandeln und frittierten Pommes, frischen Waffeln und heißem Steckerlfisch. Erinnerungen werden wach, Erwachsene werden wieder Kind, Kinder fühlen sich erwachsen. Es ist Volksfest. Eine der schönsten, geselligen Traditionen im Landkreis. Aber auch eine, die sich zunehmend schwertut. Leere Biertische und Schaustellerwege zeugen von dem Besucherschwund. Der Grund: das Überangebot an anderen Festen und Veranstaltungen! Neue Konzepte sollen die Gäste wieder anlocken. Einen ganz neuen Weg geht hierbei heuer das Volksfest in Maisach.  

 

Die Vorfreude auf die Volksfeste war vor allem in den Nachkriegsjahren riesig – ebenso wie die Besucherzahlen während der Festtage. Öff entliche Vergnügungen waren unter dem Jahr eher rar, ein Fernseher stand auch nur vereinzelt in den Wohnzimmern.

Ein kurzer Rückblick: Volksfeste gibt es im Landkreis seit rund 170 Jahren. Aber regelmäßig werden sie erst seit Ende der 1940er Jahre gefeiert. Sehr bescheiden waren die ersten Nachkriegsvolksfeste in den kleineren Kommunen. Ein Kinderkarussell, eine Wurfbude, Schiffsschaukel und „Glückshafen“, dessen Erlös in gemeinnützige Kassen floss. Dazu ein bisschen Zuckerzeug, ein Biergarten und ein bisschen Blasmusik: fertig war 1949 das Volksfest in Olching. In Fürstenfeldbruck war da schon etwas mehr los: Chroniken erzählen von einem internationalen Pferderennen. Hunde rannten und sprangen außerdem über Hindernisse um die Wette, Motorradfahrer traten beim Grasbahnrennen gegeneinander an.

 

Damals wie heute ist der wichtigste Punkt eines Volksfestauftaktes das Anzapfen des Bierfasses – so wie es hier 1955 der Olchinger Bürgermeister Mathias Duschl zelebriert.

94 000 Maß Bier

 

Die Bewirtung lag in der Hand der heimischen Gastronomen. So auch in Puchheim, wo 1969 das erste Volksfest gefeiert wurde. Die Brezn lieferte der ortsansässige Bäcker, die Würstl der Metzger nebenan, die Buden wurden von den örtlichen Vereinen betrieben, die auch oft sportliche und unterhaltsame Wettkämpfe organisierten. Das Bier kam frisch abgefüllt in Fässern aus den umliegenden Brauereien. Beachtlich war vor allem in Fürstenfeldbruck der Bierkonsum, von dem die hiesigen Brauereien heute nur träumen können. „Im Jahr 1972 wurden 94 000 Maß Bier ausgeschenkt“, berichtet der Fürstenfeldbrucker Archivar, Gerhard Neumeier.

 

Immer weniger Volksfest-Besucher

 

Längst werden die Festzelte von auswärtigen Profi-Gastronomen bewirtet, externe Schausteller sorgen für Kurzweil. Alle geben ihr Bestes, immer noch mehr zu bieten, in den Zelten und außerhalb. Trotzdem verzeichnen die Volksfeste seit über 20 Jahren sinkende Besucherzahlen. Leere Tische, verwaiste Buden und Karussells an zu vielen Stunden der Festtage, können sich viele nicht mehr leisten. 2008 feierte Puchheim sein letztes Volksfest, 2015 legt Fürstenfeldbruck sein Frühlings- mit dem Volksfest zusammen. Ein Jahr zuvor legte Germering sein Volksfest ganz ad acta. Seitdem wird nur noch ein Stadtfest gefeiert.

 

Ein volles Zelt - wie hier in Puchheim - wünschen sich alle Festwirte!

Neue Konzepte füllen das Zelt

 

Die Suche nach Festwirten ist schwer – doch zeigen neue Konzepte, dass andere Städte und Kommunen das Volksfest nicht aufgegeben wollen. Seit 2013 macht das Puchheim mit seiner Neuauflage AUFTAKT vor. Hier setzt die Stadt auf ein attraktives Programm im Festzelt: Heuer treten zum Beispiel die bayerischen Gypsys von Django 3000 (20. April, 20 Uhr) auf! In Fürstenfeldbruck ist auch durch junge Bands wieder mehr los – und in Olching sowieso: Hier hält man neben einem abwechslungsreichen Bühnenprogramm und mindestens einem außergewöhnlichen Fahrgeschäft (heuer ist eines 35 Meter hoch!) außerdem an traditionellen Veranstaltungen fest, wie dem internationalen Boxvergleichswettkampf und den Speedway-German Open.

 

Festbiergarten mit Programm

 

Maisach geht heuer sogar noch einen Schritt weiter auf einem völlig neuen Weg. Abgesehen von dem Termin. Denn bereits im Juli und nicht erst Ende August ist die traditionelle Festwoche. Ähnlich dem „Sommer auf der Thoma Wiese“ in Dachau 2021 bringt der erfahrene Dachauer Festwirt Ewald Zechner in Maisach „neuen Schwung“ ins Volksfest! So gibt es anstelle eines geschlossenen (und bei sommerlichen Temperaturen oft viel zu heißen) Festzeltes einen überdachten Biergarten, dekoriert mit getopften Bäumen und Sträuchern, für die Patenschaften erworben werden können. Gemütliche Lauben laden Familien, Vereine und Firmen ein, hier eigene Bereiche zu mieten und sogar selbst zu dekorieren. „Auf der Bühne sorgt zudem ein starkes Programm junger lokaler und anderer Größen für Unterhaltung“, verrät Ewald Zechner. Schausteller sind natürlich auch da und traditionelle Veranstaltungen, wie der Seniorentag, finden ebenso statt. Na dann: Ein Prosit der Gemütlichkeit.

 

Turbulent geht es zuweilen nicht nur auf dem Volksfest, sondern auch bei der Organisation zu: Erst jüngst konnte Mammendorf einen neuen Wirt fi nden. Auch er geht einen neuen Weg: an manchen Tagen ist Selbstbedienung!

Volksfeste 2023

11. AUFTAKT Puchheim: 14. bis 23. April

84. Volksfest Fürstenfeldbruck: 28. April bis 7. Mai

41. Volksfest Mammendorf: 12. bis 21. Mai

71. Volksfest Olching: 2. bis 11. Juni

47. Festwoche Maisach: 14. bis 23. Juli

 

CHRONIKEN

Fürstenfeldbruck

1849 Vermutlich erstes Fest

1851 Belegtes „Landwirtschaftliches Volksfest mit Gewerbeausstellung“, weitere

1857, 1865, 1874, 1880 (ab nun mit Bezirkstierschau) und 1900.

1909 Großes Volksfest wegen der Eröffnung der neuen Amperbrücke

1922 Erstes Volksfest nach dem Ersten Weltkrieg mit kleiner Handwerks-, Industrie- und Landwirtschaftsmesse.

1925 Größtes Volksfest mit Landwirtschafts-, Gewerbe- und Kunstausstellung, erstmals mit Bierzelt und Verkaufsständen und großem Festzug

1934 und 1935 Volksfest (= anlässlich der Stadterhebung mit historischem Festzug und erstmals Brillant-Feuerwerk)

1939 Letztes Volksfest vor dem Zweiten Weltkrieg

1949 Erstes Heimat- und Volksfest mit Handwerks- und Gewerbeausstellung

seit 1950 jährlich (und bis in die 1990er Jahre sehr stark besucht)

ab den 1970er Jahren Frühlings- und Volksfest

2015 Zusammenlegung

 

Olching

1949 Erstes Volksfest (Sommerfest) Auf der Insel

1950 Umzug auf den Volksfestplatz

1951 Einweihung der Speedwaybahn beim Volksfest

1999 Absage wegen Jahrhunderthochwasser

 

Puchheim

1961 Erstes Volksfest

1972 Der Puchheimer Vereinsverband übernimmt die Organisation

2008 Letztes Volksfest wegen mangelnder Gäste

2013 Neues Volksfest: AUFTAKT. Veranstalter: die Stadt Puchheim

 

Mammendorf

1981 Erstes Volksfest anlässlich des 70-jährigen Jubiläums des Burschenvereins und des 100-jährigen Bestehens des Gesangvereins auf Initiative von vier Bürgern.

1982 Der Wirt bricht am letzten Tag vorzeitig ab und wird gekündigt.

1985 Beinahe Absage wegen kaputten Zelts – Keine Schausteller. Am Tag der Vereine sind alle Bierfässer leer

seit 2004 Bulldog-Treffen

 

Maisacher Festwoche

1967 und 1968 Volkfeste in Gernlinden

1974 Erste Maisacher Festwoche zum 100-jährigen Jubiläum von Feuerwehr und Schützenverein sowie 50 Jahre Sportclub. Jedes Jahr (bis auf 2020/21) und immer zehn Tage lang.

 

Summ, summ, summ

Summ, summ, summ

Ist die Gesellschaft gespalten?

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