Das Geheimnis des leeren Grabes
Knifflige Fragen rund ums Osterfest
In Puchheim steht die evangelische Auferstehungskirche. „Am dritten Tage auferstanden von den Toten“ sagt man nicht nur dort im Glaubensbekenntnis, wenn es um Jesus geht. Dass der Wanderprediger aus Nordisrael nach seiner Hinrichtung nicht für immer tot blieb, halten Christen für ein einzigartiges Wunder. Bei Durchsicht der Bibel stellt sich heraus: so einzigartig ist es gar nicht. Insgesamt neunmal wird dort berichtet, wie Tote wieder lebendig werden. Was ist nun mit der Totenerweckung von Jesus? Ist sie wirklich geschehen?
Oder waren seine Erscheinungen real wirkende Bilder seiner Jünger, entstanden aus der glühenden Verehrung für ihren Meister? Oder war die Auferstehung von ihnen inszeniert? Bereits im biblischen Bericht von Matthäus taucht diese Idee auf. Die höchsten religiösen Würdenträger baten deswegen die römische Schutzmacht, wenigstens drei Tage lang das Grab zu bewachen.
Der Historiker Johannes Fried vertritt eine besonders abgefahrene These: Jesus erlitt bei seiner Folterung eine Lungenverletzung und fiel am Kreuz in eine Kohlendioxidnarkose. Nur eine gezielte Punktion konnte sein Leben retten. Genau dafür sorgte ein römischer Soldat, als er ihm mit einer Lanze in die Seite stieß. Jesus wurde ohnmächtig ins Grab gelegt, und kam dort irgendwann wieder zu sich.
Mich fasziniert, dass die Menschen von Anfang an nicht sicher waren, was da genau passiert ist zwischen Karfreitag und Ostersonntag. Früher war ich überzeugt: Als Christ müsse ich stur daran glauben, dass Jesus auf übernatürliche Weise auferstanden sei. Inzwischen denke ich: Ob ich Auferstehungsberichte wörtlich nehme oder mir sonst eine Erklärung dafür vorstellen kann, ist nicht entscheidend. Entscheidend für mein Christsein ist, dass ich die menschenfreundliche, friedliche Botschaft des lebenden Wanderpredigers Jesus in mein Herz lasse und in die Tat umsetze.
Wie Albert Schweitzer (1875–1965). Seine Karriere als Theologieprofessor und Kirchenmusiker hängte er an den Nagel. Stattdessen studierte er Medizin, um in Afrika ein Krankenhaus aufzubauen und Menschenleben zu retten. Oder die evangelischen Theologin und Dichterin Dorothee Sölle (1929–2003). „sie fragen mich nach der auferstehung“ heißt ein Gedicht von ihr. Für sie ist die Erzählung vom leeren Grab Ausdruck der Hoffnung, dass wir Menschen nicht unerbittlich dem Tod entgegenrasen. Sie endet mit der Zeile: „Ach frag du mich nach der auferstehung. Ach, hör nicht auf, mich zu fragen.“ Das gibt es in religiösen Dingen öfter: dass die Frage mindestens so wichtig ist wie die Antwort.
Werner Tiki Küstenmacher, Baujahr 1953, ist evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist und Buchautor. Seit 1984 wohnt er mit seiner Frau, der Autorin Marion Küstenmacher, in Gröbenzell. Und wünscht allen Gustl-Leser*innen ein gesegnetes Osterfest.