Rhapsodie mit Pferden

Rhapsodie mit Pferden


 FOTOS: Simon Katzer; TEXT: Petra Neumaier

Immer näher kommt das dumpfe Grollen. Schon zittert der Boden unter den Füßen. Staub wirbelt auf. Und dann: Wie ein Orkan tosen die Pferde auf die frisch-grüne Koppel bei Germerswang. Wild. Unbändig rasen sie auf den Mann zu, der unbeweglich auf der Wiese steht. Entspannt. Denn das dumpfe Trommeln der Hufe ist für ihn Musik, das Schnauben und Wiehern, das Schmatzen und Scharren die Melodie. Eine andere, als die, die er für Filme und Musiker komponiert. Aber eine, die ihn ebenso glücklich macht. Bernhard Zeller genießt den Moment, inmitten der Pferde, von denen zwei seine eigenen sind. Denn hier tankt der Komponist, Coach, Pferdeflüsterer und Mensch Kraft für ein Leben, das so viele Klangfarben hat  wie die Sätze eines Musikstücks.

 

1. SATZ – Exposition oder der Anfang

1963 wird Bernhard Zeller in München geboren. In einem Haus mit großem Garten wächst er in Gröbenzell auf. Klavier spielt der Bub, sobald er die Tasten des mütterlichen Flügels berühren kann. Früh bekommt er Unterricht, jeden Tag eine Stunde üben ist Gesetz. Gitarre bringt sich Bernhard Zeller selbst bei – da ist er etwa zehn Jahre alt und spielt zu seinen Schallplatten oder Kassetten. Weil die Klavierlehrerin „konservativ und streng“ ist, beendet der Teenager den Unterricht. Spielt aber Keyboard und Gitarre in Bands. Wie bei den  „Cabrios“, die in Münchner Clubs auftreten … „sehr toll, aber auch gruselig“, sagt Bernhard Zeller, weil er bei jedem Auftritt schreckliches Lampenfieber hat.

 

Acht Jahre lang hat Bernhard Zeller „keinen Piep“ von sich gegeben. „Ich hatte die Nase voll von Musik“, sagt er von seiner Zeit, als er in Olching mit seiner Frau wohnte. Seit sie  getrennte Wege gehen, kehrt er an seine Wurzeln zurück. Singen tut er zwar nicht, aber  spielen. Auf dem Flügel, auf seinen Gitarren und an seinem Schlagzeug…

Acht Jahre lang hat Bernhard Zeller „keinen Piep“ von sich gegeben. „Ich hatte die Nase voll von Musik“, sagt er von seiner Zeit, als er in Olching mit seiner Frau wohnte. Seit sie  getrennte Wege gehen, kehrt er an seine Wurzeln zurück. Singen tut er zwar nicht, aber  spielen. Auf dem Flügel, auf seinen Gitarren und an seinem Schlagzeug…

2. SATZ – Etüde oder die Prüfung

Bernhard Zeller will Musik zum Beruf machen – die Eltern raten ab. „Damit kann man kein Geld verdienen“, sagen sie. Weil er ein „braver Sohn“ ist, studiert er ein Jahr an der TU Bauingenieurwesen. Dann eineinhalb Jahre an der FH Elektrotechnik – und bricht erneut ab.  Er ist sicher: „Ich will Musik!“. Als „selfemade“ Toningenieur mischt Bernhard Zeller Songs von Bands – von „Motörhead“ bis zur Volksmusik. Und sogar das Musical „Body&Soul“ von Andre Heller. Neun Monate tourt er mit den Darstellern jeden Tag quer durch Deutschland und Österreich. „Eine tolle Erfahrung und Schnellkurs in richtigem Amerikanisch“, sagt Bernhard Zeller, „aber auch manchmal sehr hart wegen Schlafmangel“. Anschließend übt er exzessiv Klavier. Er will unbedingt die Aufnahmeprüfung für die Tonmeisterschule des BR bestehen. Zwei Tage davor bekommt er eine Sehnenscheidenentzündung in den Händen. Nur mit viel Cortison kann Bernhard Zeller spielen, aber nicht zeigen, was er wirklich kann.

 

3. SATZ – Intermezzo oder die Suche nach den Eltern

Bernhard Zeller ahnt, dass „etwas nicht stimmt“. Im Alter von etwa sieben Jahren und „viel zu spät“ erzählen seine Eltern von der Adoption. Er braucht zwei Jahrzehnte, bis er sich auf die Suche nach seinen genetischen Eltern macht. Den Namen der Mutter findet er auf der Geburtsurkunde. Bernhard Zeller ruft sie an. „Sie wusste sofort, wer dran ist.“ Sie treffen sich, er lernt seine vier Jahre jüngere Halbschwester kennen und erfährt: Seine Mutter war 21 Jahre alt und verlobt, als sie mit einer Freundin nach Kroatien fuhr und mit einem Kellner … „Es ging nicht!“, sagt sie und er versucht zu verstehen. Fünf Jahre später steht Bernhard Zeller mit einer alten Schwarz-Weiß-Fotografie in Rijeka. Trifft den ehemaligen Hoteldirektor, der im Archiv den Namen des Kellners findet. Und eine Adresse in Graz. Bernhard Zeller wird jäh ernüchtert. Vor ihm steht ein verarmter Mann, der sich so gar nicht an das Mädchen auf dem Foto erinnert, ihm aber wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt. Bernhard Zeller bemüht sich um eine Beziehung zu seinen „echten“ Eltern, „weil da doch irgendwas sein müsste …“, glaubt er. Muss sich aber dann eingestehen: „Da ist nichts.“ Das Suchen und Finden hat ihn trotzdem innerlich zur Ruhe gebracht.

 

„Ich mag Echtes. Natürlich kann man elektronische Musik machen, aber es ist doch etwas anderes – Nur das Echte kann man auch spüren“, sagt Bernhard Zeller.

„Ich mag Echtes. Natürlich kann man elektronische Musik machen, aber es ist doch etwas anderes – Nur das Echte kann man auch spüren“, sagt Bernhard Zeller.

4. SATZ – Reprise oder der Filmkomponist

1992 bittet ihn eine angehende Regisseurin der Filmhochschule, für ihren Abschlussfilm die Musik zu komponieren. Also setzt er sich an den Flügel. Ohne Notenblätter. Sieht den Film, und spielt drauf los. Ein Tonband nimmt auf. Es gefällt. Und er wird ermuntert, sich als Filmkomponist für die neue Serie „Forsthaus Falkenau“ zu bewerben. Sein Demo-Band erreicht die Produzenten zwei Tage zu spät, wird aber trotzdem behalten. Ein halbes Jahr später klingelt das Telefon: Ob er nicht mal eben schnell für eine neue Serie …? „Der Bergdoktor“! Bernhard Zeller komponiert die ganze Nacht durch. Doch als er vom Flügel aufsteht, landet er mit einem Kreislaufkollaps im Krankenhaus. Erst Pech, dann Glück, sagt er. Denn nach der dritten Bergdoktor-Staffel war erst einmal Schluss. Für die Produzenten von „Forsthaus Falkenau“, die ihn kurze Zeit später doch einstellen, arbeitet er fast 25 Jahre. Und beweist: „Von Musik kann man doch leben!“

 

5. SATZ – Neues Motiv oder die Lebenskrise

Leben ja, aber nicht gesund. Der Stress weiterer Aufträge für Serien beim ZDF fordert seinen Tribut. 2013 schließt zudem das Forsthaus Falkenau seine Türen. Bernhard Zeller liegt mit einem Bandscheibenvorfall am Halswirbel im Krankenhaus, eine künstliche Bandscheibe muss die defekte ersetzen. „Etwas stimmt nicht in meinem Leben“. Seine innere Stimme wird laut. Eine Freundin rät zum Jakobsweg – „weil Wandern nicht mein Ding ist“, fängt er wieder das Reiten an. Seit seinem 18. Lebensjahr saß Bernhard Zeller nicht mehr im Sattel – doch trotz der Bandscheibenprobleme fühlt es sich sofort gut an. Nach ein paar Wochen auf einer einsamen Ranch in Colorado weiß er, dass eine Reitbeteiligung zu wenig für ihn ist. Er kauft die „ziemlich durchgeknallte“ Jeannie, später noch die „unreitbare“ Lotta.

Bernhard Zeller will das auch andere Menschen erleben lassen und kombiniert Pferde und Coaching: Bereits in den Jahrzehnten zuvor hatte er Kurse und Ausbildungen absolviert als  Reinkarnationstherapeut, Astrologe, Pferdetrainer und esoterischer Gruppenleiter. Weil es ihn interessierte, weil er selbst Halt suchte, weil er fühlte, „dass etwas passieren muss, sonst geht mein Licht aus“. Sein Programm „Selbsterfahrung mit Pferden“ führt er auf Wiesen und in Tipis durch. Doch dann kommt Corona …

 

In seinem Tipi bietet Bernhard Zeller einmal in der Woche Meditationen an.

In seinem Tipi bietet Bernhard Zeller einmal in der Woche Meditationen an.

6. SATZ – Fine (?) oder Zurück zu den Wurzeln

Bernhard Zeller steht im Garten seines Elternhauses in Gröbenzell, in dem er aufgewachsen ist. Ein verwilderter Garten, so ungezähmt wie einst seine Pferde. Geduldig versucht er ihn zur Ordnung zu bringen. Sein riesiges Tipi, in dem er einmal in der Woche Meditationen anbietet, hat hier seinen Platz bereits gefunden. Ebenso wie im Haus die beiden Flügel – der eine im Wohnzimmer neben dem Schlagzeug, der andere im Treppenhaus. Auch die vielen bunten Gitarren, die aufgereiht neben dem Mischpult im Esszimmer stehen, passen. Die Küche hat Bernhard Zeller nach draußen auf die Terrasse verlegt. „Das macht viel mehr Spaß“, sagt der leidenschaftliche Koch, der seinen Platz im Haus noch irgendwie zu suchen scheint.

 

„Mit gemischten Gefühlen“ ist er vor fast einem Jahr, nach dem Tod des Vaters im Winter 2019, zurückgezogen – mit seiner Hündin Luna.. Er seufzt. Alles sei ja nicht „sooo rosig“ gewesen in seiner Kindheit. Erst nach mehreren „Probe-schlafen“ in verschiedenen Räumen stellte er fest, dass es vielleicht doch „geht“. Und er den Platz braucht, für sich und seine vielen Instrumente und  seine Musik. Er lacht. Nur ein Nachbar hat sich anfangs beschwert. Die anderen freuen sich über die Lebendigkeit, die er mit seiner Musik in das Wohnviertel bringt. Doch wenn er an seinem Flügel spielt, so wie jetzt, dann sind die Gefühle wieder rein. „Ciao Amore“, ist der Song, den er für Giorgio Music geschrieben und produziert hat. Als Video ist er auf Youtube zu sehen und zu hören (http://giorgio-music.org/). Bernhard Zeller schmunzelt versonnen.

 „Mal schauen, was noch geht.“

 




 

 

Der schiefe Turm von Bruck

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Menschen im Landkreis

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