LETS Tauschringe im Landkreis: Teilen, was man gerne tut
FOTOS: Mehmet Birinci TEXT: Doris Stickelbrocks
Eine Kleinigkeit, aber ärgerlich: Der Wasserhahn tropft. Oder der Schrankschlüssel schließt nicht mehr. Nicht jeder kann das selbst beheben, aber für Wolfgang Wuschig sind solche kleinen Reparaturen kein Problem. Nach dem Motto „Man muss sich nur zu helfen wissen“ hat er kürzlich mit einem kleinen Trick das Schloss eines 150 Jahre alten Schranks wieder zum Schließen gebracht und die Gröbenzeller Schrankbesitzerin damit sehr glücklich gemacht. „Es ist schön, weil sich immer jemand freut“, sagt er über sein Engagement beim LETS Tauschring Puchheim.
Es ist sozusagen Nachbarschaftshilfe auf Gegenseitigkeit. Und weil die Gegenseite nicht immer das machen kann, was man selbst sucht, können alle mit allen tauschen. Reparieren oder bügeln, nähen oder Gedichte reimen, PC-Hilfe oder Blumen gießen: Es ist ein Geben und Nehmen. Jeder bietet an, was er gerne tut und sucht Unterstützung dort, wo er sie braucht.
Jede Tätigkeit ist gleich viel wert: Eine Stunde Lebenszeit kostet 20 „Talente“, so heißt die Währung. Und das nicht ohne Grund, denn im LETS geht es darum, eigene neue Talente zu entdecken und brach liegende Talente anderen zur Verfügung zu stellen. Die „Talente“ werden in Tauschhefte eingetragen: als Guthaben bei demjenigen, der etwas macht, als Soll bei demjenigen, der etwas in Anspruch nimmt.
LETS ist die Abkürzung für „Local Exchange Trading System“. Auf Basis verschiedener Freigeld-Experimente Ende der 1920er Jahre wurde LETS Anfang der 1980er in Kanada „erfunden“: mit dem Zeitkonto für jeden Teilnehmer und einer Marktzeitung, in der die Angebote und Gesuche veröffentlicht werden. Die Idee verbreitete sich zunächst in den englischsprachigen Ländern, ab Mitte der 1990er Jahre auch in Deutschland.
Seit 1996 gibt es LETS in Puchheim, etwa 50 Mitglieder machen mit. Neben vierteljährlichen Treffen finden auch Feste und Märkte statt. „Es ist eine gute Sache. Viele Menschen wohnen allein und die Familie ist weit weg. Neben der Unterstützung kann man auch leicht Kontakte knüpfen und Gesellschaft finden“, so Wolfgang Wuschig.
„Wir tauschen auch Gegenstände“, berichtet Ute Kuhlmann. Zusammen mit ihrem Mann Carsten Döpke ist sie seit elf Jahren im Organisationsteam des LETS Tauschrings Fürstenfeldbruck. Dieser hat etwa 70 Mitglieder, von denen Ute Kuhlmann rund 50 zum „harten Kern“ zählt.
„Dass die Angebote und Gesuche nur in der vierteljährlich erscheinenden Marktzeitung stehen, erschien uns zu langfristig und schwerfällig“, blickt sie zurück. Deshalb hat sie einen wöchentlichen Newsletter eingerichtet, der per E-Mail an die eigenen Mitglieder und auch an die Nachbar-Tauschringe geht. So werden zum Beispiel schnell und einfach Helfer für einen Umzug gefunden und Dinge wie Edelstahl-Bratpfannen, Schreibtische, Gartenhäuschen oder Einmachgläser wechseln zeitnah ihren Besitzer.
Ute Kuhlmann schätzt auch die Vernetzung der Tauschringe, nicht nur in der Umgebung, sondern auch bundesweit und sogar im Ausland: „Über LETS findet man auf Reisen eine Gelegenheit zum Übernachten.“ Das Wichtigste für sie ist aber: Der Tauschring ist frei von den Nachteilen des Geldsystems. „Bei uns gibt es keinen Erfolgsdruck und keine Konkurrenz. Unsere Währung ist stabil – es gibt keine Inflation. Der Austausch im LETS macht alle reicher, den Gebenden und den Nehmenden.“