Brauchtum, Gaudi, Zoom-Konferenz

Brauchtum, Gaudi, Zoom-Konferenz

 FOTO Stefanie Göttler TEXT Doris Stickelbrocks

 

Burschenvereine haben Tradition auf dem Dorf. Seit Generationen schließen sich die ledigen jungen Männer zusammen, um Brauchtum und Geselligkeit zu pflegen. Sie entzünden Osterfeuer, stellen Maibäume auf, feiern Fahnenweihen und allerlei Feste. Aber warum eigentlich bloß Burschen? „Als Pendant dazu einen Madlverein zu gründen, fand ich eine coole Idee“, erzählt Christina Oberpaul (28), Gründungsmitglied und heute 1. Vorsitzende des Emmeringer Madlvereins. Die Aufnahmevoraussetzungen: weiblich, ledig, mindestens 16 Jahre alt.

 

2011 haben sich die Emmeringer Madl im Verein organisiert und waren damit Vorreiterinnen im Landkreis. So folgten zum Beispiel 2016 Überacker und Egenhofen, seit 2019 gibt es auch in Olching einen Madlverein. Die coronabedingten Kontaktbeschränkungen haben das Vereinsleben erschwert, aber nicht völlig zum Erliegen gebracht. Die Emmeringer Madl hielten den Kontakt über Zoom-Videokonferenzen. Dem Vorstand war wichtig, zumindest eine virtuelle Weihnachtsfeier auszurichten und dazu echte Geschenkpäckchen zu verteilen. Auch auf Distanz mangelt es nicht an Ideen und Gaudi: Zum Beispiel gab es eine Yoga-Bier-Challenge – ein kleine Sporteinheit  mit Yoga-Stellungen, in die eine Bierflasche eingearbeitet wurde. „Bavarian Work-Life-Balance“ funktioniert halt, wenn es sein muss, auch via Bildschirm. Auch in den sozialen Medien zeigen sich die Madl mit Fotos und Texten: Hochdeutsch auf Facebook, Boarisch auf Instagram.

 

Begonnen hat die Vereinsgeschichte ja, als man beim Wort Corona noch an eine Krone oder eine Biermarke dachte. „Wir wollen etwas für uns selbst tun, aber auch für die Gemeinde“, beschreibt Vize-Vorsitzende Tamara Seemann (23) das Engagement des Emmeringer Madlvereins im „normalen“ Leben. Da ist auf der einen Seite die Gemeinschaft der jungen Frauen, die zusammen ausgehen, Ausflüge machen und sich jeden letzten Donnerstag im Monat zum Stammtisch treffen. Im Vereinsdirndl pflegen sie das Brauchtum bei Fahnenweihen in der näheren und weiteren Umgebung.

 

Auf der anderen Seite geht es ihnen um einen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben und um soziales Engagement. Sie unterstützen örtliche Vereine und Organisationen bei deren Veranstaltungen. So haben sie etwa bei der Emmeringer Weihnacht Gulaschsuppe und Jagertee für den guten Zweck verkauft. Sie zogen ins Emmeringer Hölzl, um es mit einem „Ramadama“ von Unrat zu befreien. Zu Beginn der Coronakrise organisierten sie gemeinsam mit den Burschen einen Einkaufs- und Erledigungsdienst.

 

Ein riesiger Ankommer war der Weiberfasching im Pfarrheim, den die Madl bereits zweimal  veranstaltet haben. „Beim Männerballett haben Väter und Freunde mitgemacht – man kennt sich halt“, erklärt Tamara Seemann. Ihr Vater war früher bei den Burschen aktiv, und sie ist nicht die einzige im Verein, die auf diese Weise in die Traditionspflege reingewachsen ist.

 

Rund 40 aktive Mitglieder hat der Madlverein, und bei großen Ereignissen packen alle mit an. „Am Anfang war ich skeptisch, ob wir das alles hinkriegen“, erinnert sich Christina Oberpaul. „Aber wir schleppen sogar Kühlschränke.“ Dieses Jahr wird der Madlverein zehn Jahre alt und eigentlich sollte für eine angemessene Feier das Bier schon kalt stehen. Es laufen vorsichtig optimistische Planungen – und die Hoffnung auf den Weiberfasching 2022 ist groß.

 

www.madlverein-emmering.com

 

A Gaudi ham die Emmeringer Madl miteinander – zur Not virtuell, am liebsten in natura. Zu Veranstaltungen wie Fahnenweihen erscheint man im Vereinsdirndl. Beim Feiern versuchen die versammelten Brauchtumsvereine, sich gegenseitig unbemerkt ihr „Daferl“, die Holztafel mit dem Vereinswappen, abzujagen. Wenn‘s gelingt, ist eine Auslöse fällig.

 

 

Monika Baumgartner

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Der große Wassermann

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