Zurück in die Steinzeit

Zurück in die Steinzeit

Das Holz knistert schon in seinen Flammen. Weit treibt der eiskalte Westwind den grauen Rauch über die Fluren von Steinbach und hüllt die Umstehenden ein. Diejenigen, die sich nah des Lagerfeuers wärmen und die anderen, die ein paar Meter entfernt am ausgehöhlten Baumstamm einer einst kräftigen Erle stehen. Das Wasser haben sie schon eingefüllt. Etwa fünf Zentimeter hoch schwappt es in dem Rechteck, während Uli Bähr kräftig an der Kurbel der Mühle dreht, die das aufgemälzte Getreide in kleine Stücke schrotet. Die Spannung ist groß, die Anspannung auch. Keiner weiß, ob es gelingt, ob die Theorie der Praxis standhält und ob am Ende tatsächlich das herauskommt, was sich die Gruppe des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck erhofft: Ein trinkbares Steinzeit-Bier.

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Uli Bähr, der Software-Entwickler aus Schöngeising, ist Hobbybrauer. Und er ist Mitglied in der Arbeitsgruppe Archäologie des Historischen Vereins FFB. Darum merkte er auch auf, als Wissenschaftler bei einer Bohrung im Haspelmoor in einer Torfschicht aus dem Jahr 6000 vor Christus Weizenpollen entdeckten. „Kulturweizen, kein wilder“, betont der 51-Jährige und ist nach wie vor darüber erstaunt. Denn bislang ging man davon aus, dass erst viel, viel später die Jungsteinzeitler den Getreideanbau mitbrachten. Warum nur bauten bereits in der Mittelsteinzeit Jäger und Sammler Weizen an und für was? Die Antwort lag für die Mitglieder der Arbeitsgruppe auf der Hand: Bier! „Und das war keine Schnappsidee“, lacht Uli Bähr. Denn egal in welchen früheren Kulturen, „überall wurde Bier gebraut.“ Der Grund war das schlechte Getreide: 1000 Jahre konsequente Züchtung brauchte es, damit man daraus Brot machen konnte. Zum Brauen eignete es sich dafür schon. „Und ein Rausch war immer schon was Feines“, schmunzelt Uli Bähr. Das könne man sich jedenfalls zusammenreimen, bewiesen sei es erst ab der Bronzezeit (2200-800 vor Chr.).

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Ob die Steine schon heiß genug sind? Reinhard Fritsch prüft sie mit dem Blick. „Wenn sie noch schwarz vor Ruß sind, dann brauchen sie noch“, sagt er und tritt mit dem Lasermessgerät auch gleich den Beweis an. 364 Grad – das reicht noch lange nicht. Erst bei rund 600 Grad, wenn die Steine hell werden, sind sie „gar“. Mit der Zange fischt er sie dann aus den Flammen und wirft sie in das Becken des Einbaums. Zischen, Dampfen, kurzes Brodeln. Auf 80 Grad muss sich das Wasser erwärmen. Bis es bei diesen kalten Außentemperaturen so weit ist, wird es noch eine ganze Weile und viele, viele Steine brauchen.

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Den Beweis des prähistorischen Bierbrauens wollen seit Frühjahr 2016 etwa zehn Mitglieder der Arbeitsgruppe antreten. Experimentell, akribisch und wissenschaftlich dokumentiert und so authentisch wie nur möglich. Bücher wurden gewälzt, mit Experten diskutiert – weltweit. Das erste Experiment startete im Frühling 2017 – das bislang letzte und sechste Ende Oktober. Allesamt sind sie im Blog (www.steinzeitbier.wordpress.com) dokumentiert.  Dabei probierte die Arbeitsgruppe immer verschiedene Methoden und Werkzeuge aus. Schließlich gab es in der Mittelsteinzeit weder Herd noch Töpfe, Thermometer, Sieb, Glas oder Fass. Angekommen sind sie jetzt bei dem ausgehölten Baumstamm, bei im Feuer erhitzten Kochsteinen, einem von Brigitte Steinmann geflochtenen Läuterkorb sowie unterschiedlichen Verfahren.

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Dann ist es so weit: Das vom leichten Ruß der Steine gräuliche Wasser ist heiß genug. Uli Bähr schüttet die gemälzte und geschrotete Gerste hinein, ein anderer rührt mit einem großen Holzlöffel um. Genüsslich saugen die Akteure und Besucher (darunter ein Journalist aus der Schweiz, ein Amerikaner und ein Engländer) den Duft von süßem Malz ein. Die Vorfreude ist groß. Doch schon vor dem Läutern durch den Korb, der hervorragend funktionieren wird, stellt sich bei der Jodprobe heraus, dass die Verzuckerung nicht vollständig stattgefunden hat. Enttäuschte Gesichter. „Kein gutes Bier und wenig Alkohol“, prognostizieren die Experten. Drei Tage später folgt die totale Ernüchterung: Ungenießbar ist dieses Mal das Gebräu. „Vermutlich war es einfach zu kalt oder das Wasser zu heiß“, nennt Uli Bähr einige von vielen möglichen Gründen.

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Die Ergebnisse sind unterschiedlich und mal mehr oder weniger erfolgreich. „Zuweilen schmeckt das Bier sogar sehr gut, so fruchtig wie eine Berliner Weiße“, erzählt Uli Bähr. Auch betont er, dass bislang noch keiner vom Testen Bauchweh bekommen hat. Das hehre Ziel der Gruppe sei, eines Tages ein hundertprozentiges, steinzeitliches Bier zu brauen. Einen „vollkommenen Sud“, mit Beerenhefe, mit nach historischer Ackerbaumethode angebautem Weizen und anderen authentischen Rohmaterialien und Werkzeugen. – „Bis dahin“, sagt der Hobbyarchäologe und seufzt, „ist es aber noch ein weiter Weg.“

Petra Neumaier

Interessenten, die an den Experimenten teilhaben möchten, sind jederzeit in der Arbeitsgruppe willkommen.

 

 

 

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