Die Wortkünstlerin

Die Wortkünstlerin

„Das Leben wäre doch traurig, wenn man nichts Süßes essen dürfte“, sagt Fee. Eben ist sie aus Nürnberg gekommen, jetzt sitzt sie im Wohnzimmer ihres Elternhauses in Eichenau und beißt in einen Schokoladenkeks. Sie sagt das so beiläufig, dass sie wahrscheinlich gar nicht ahnt, wie sehr eine solche Aussage ihre Wirkung auf andere beschreibt. Man wird selten eine junge Frau treffen, die so sehr mit sich im Reinen scheint, wie Fee Brembeck. Klar macht Fee, die mit vollem Namen Felicia heißt, Fehler. Darüber hat sie sogar schon ein Buch geschrieben. Eine Drama Queen sei sie auch, gesteht sie. Und nicht alles, was sie mit 18 Jahren gemacht hat, würde sie heute als 23-Jährige wiederholen. „Man verändert sich und das ist völlig in Ordnung“, betont sie und man nimmt ihr jedes Wort ab. Denn Fee ist bekannt dafür, mit Worten umgehen zu können.  

Spätestens seit sie 2013 in Kiel die Deutschsprachige U20-Meisterschaft im Poetry Slam gewonnen hat, sind ihre Texte in aller Ohren. Nicht einmal ein Jahr nach ihrem ersten Versuch als Bühnenpoetin wurde sie damit ein Star in der Szene und durch das Internet bald bundesweit bekannt. Heute hat Fee 150 bis 200 Auftritte pro Jahr. Dafür reist sie durch ganz Deutschland, manchmal auch nach Österreich oder in die Schweiz. Das Slammen, so sagt sie ganz klar, ist ihr Job. Wie andere in ihrem Alter nebenbei hinter der Bar stehen, steht Fee nun einmal auf der Bühne. Außer ihren Gedichten schreibt sie Beiträge für Sammelbände, nimmt an Symposien teil, singt und moderiert. Trennen könne sie die einzelnen Bereiche nur schwer, denn alles zusammen mache sie aus: „Ich bin Fee. Und Fee ist Slammerin, Sängerin und alles andere zugleich.“ 

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Außerdem ist Fee Studentin. Gerade hat sie in München ihr Lehramtsstudium in Deutsch und Evangelischer Theologie abgeschlossen. Deutsch, klar, das versteht jeder. Aber das mit der Religion muss sie vielen Leuten erst erklären. In ihrer Familie spielte die Kirche stets eine Rolle. Oft hat sie in der Eichenauer Schutzengelkirche gesungen, wo ihr Vater Christian Brembeck bis vor kurzem Organist war. Außerdem hat sie für ein lokales Kirchenmagazin geschrieben und war in der Evangelischen Jugend aktiv. Ihr Lebensmittelpunkt hat sich allerdings schon früh nach München verlagert. Nach der Grundschule in Eichenau ging es für Fee auf ein musisches Gymnasium in die Stadt. Zum Studieren ist sie vor vier Jahren zunächst ganz dorthin gezogen, bis es sie nun für ihr Zweitstudium nach Berlin verschlagen hat. Dennoch ist sie noch oft in Eichenau, um ihre Mutter und die drei Geschwister zu besuchen.

In Fees Fall ist der Gedanke, dass ihr das Künstlerische bereits in die Wiege gelegt wurde, nicht metaphorisch zu verstehen. Durch den Beruf ihres Vaters kam sie früh mit Musik auf und jenseits der Bühne in Berührung. „Schon als Baby habe ich Klassik gehört und wurde mit ins Theater genommen“, sagt sie. Zehn Jahre lang hatte sie Geigenunterricht. Außerdem sei sie ein richtiges Backstage-Kind und oft bei Konzertproben dabei gewesen. „Aber der Wunsch, selbst auf der Bühne zu stehen, kam von mir“, fügt sie hinzu. Eine Kinderoper im Fernsehen hat sie als Fünfjährige so sehr begeistert, dass ihre Eltern sie im Kinderchor der Bayerischen Staatsoper anmeldeten. Viele Jahre bevor hunderte Menschen ihre Texte in großen Hallen beklatschten, fand die kleine Fee dort ihre erste dichterische Plattform.

Im Chor traf sie ein Mädchen, das ihre Leidenschaft für Gedichte, zum Beispiel von dem romantischen Lyriker Joseph von Eichendorff, teilte. „Wir haben uns gegenseitig Aufgaben gestellt. Natürlich wussten wir nichts über Metren oder Epochen, aber wir haben versucht, den Stil nachzuahmen“, erinnert sie sich. Noch heute ist Fee dieser Austausch wichtig. Die direkte Rückmeldung vom Publikum sei das, was sie am Poetry Slam am meisten schätze. Einige Leute habe sie mit ihren Zeilen bereits zum Weinen gebracht. Andere hätten um bestimmte Texte gebeten und Dankespralinen zurückgeschickt, sagt sie und lächelt gerührt. Dennoch lässt sie positives Feedback nicht zu nah an sich heran. Eine von jenen Slammern, die viel zu jung viel zu schnell bekannt wurden und denen man den Erfolg in Form von Arroganz anmerkt, wollte sie nicht sein. Dass sie nicht abgehoben ist, muss sie nicht beteuern. Die Freude, mit der sie über die Entwicklungen in ihrem Leben spricht, ist so mitreißend, dass man sich fragt, ob diese Frau auch mal traurig sein kann.

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Und wie sie das kann. Fee ist so besonders, weil sie alles extrem fühlt. Sieht sie jemanden, den sie gern hat, explodiert sie fast vor Liebe. Bekommt sie böse Kommentare zu ihren Auftritten, verletzt sie das zutiefst. „Mein Alltag ist oft sehr melodramatisch“, sagt sie lachend. „Aber“, lenkt sie nach einer Sekunde Nachdenken ein, „ich glaube, das ist es auch, was mich zur Künstlerin macht.“ Eine Künstlerin ist sie durch und durch. Neben Gesang und Literatur hat sie auch eine Ausbildung an der Schauspiel- oder Kunstakademie in Erwägung gezogen. 2015 ist mit „Mach Fehler!“ ihr erstes Buch erschienen. Andere Projekte hat sie aus Zeitgründen bislang aufgeschoben. Allerdings hat sie schon eine konkrete Geschichte für Buch Nummer zwei im Kopf. „Ich brauche noch Zeit, bis ich mich traue, sie anzubieten. Aber es wird passieren“, sagt sie.

In ihren Poetry-Slam-Texten behandelt sie je nach Gefühlslage Banales wie Horrorfilme oder große Themen wie die Gleichberechtigung von Frauen. „Feeminismus“, scherzt Fee, liege ihr ja schon im Namen. „Ich bin Feministin, klar. Ich fände es komisch, keine zu sein“, sagt sie dann mit derselben sympathischen Nonchalance, mit der sie Süßigkeiten als Zuckerguss des Lebens verteidigt. Um ihre Erfahrung mit vor allem jüngeren Slammerinnen zu teilen, ist sie auch in dem Netzwerk „Slam Alphas“ aktiv. Auf der Webseite gibt es praktische Tipps für Frauen in der Szene, aber auch Beiträge über lästige Moderationsfloskeln und unangebrachte Komplimente.

An ihrem Heimatort Eichenau liebt sie besonders die Nähe zur Natur. „Von unserem Haus aus bin ich in fünf Minuten am Wald. Auf dem großen Feld dort denke ich gerne nach oder singe einfach vor mich hin“, sagt sie. Das Grün vermisst sie neben ihren Freunden und ihrer Familie am meisten, seit sie im Oktober mit ihrem Freund nach Berlin gezogen ist. Dort hat Fee einen Platz an der Hanns-Eisler-Musikhochschule bekommen, um Gesang zu studieren. Dafür hat sie extra im Schnellverfahren Klavierspielen gelernt. Schon als Teenager hatte sie sich gewünscht, dort aufgenommen zu werden. Damals waren sie und ihre Stimme noch nicht so weit. Jetzt ist sie ihrem Wunsch, Opernsängerin zu werden, einen großen Schritt nähergekommen.

Doch auch weiterhin wird Fee nicht nur singen, sondern auch schreiben und slammen. „Das ist nichts, was ich einfach ablegen könnte. Es gehört zu mir“, sagt sie. Auch in Zukunft wird sie ihre Münchner Lesebühne betreuen und vielleicht einen Ableger davon in Berlin etablieren. Ein abendfüllendes Solo-Programm will sie kreieren und nach wie vor auf Slams auftreten. Das klingt nach Stress. Doch während sie von ihren Plänen erzählt, strahlt sie vor Glück. „Ich glaube, ich war noch nie so glücklich wie jetzt“, bestätigt Fee. Wie gut, dass sie weiterhin immer wieder in Eichenau sein wird und auch lokalen Bühnen nicht den Rücken kehren will. Denn einen solchen Glücksbringer möchte man doch lieber ganz in der Nähe wissen.  Valentina Finger

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