Der Kaiser und das Krippenkind

Der Kaiser und das Krippenkind


„Dieser Geburtstag hat dem Universum ein anderes Gesicht gegeben. Die Vorsehung, die über allem Leben waltet, hat diesen Mann zum Heil der Menschen mit solchen Gaben erfüllt, dass er uns und kommenden Geschlechtern gesandt ist als Heiland. Mit dem Geburtstag Gottes beginnt für die Welt das Evangelium, das sich mit seinem Namen verbindet.“

Der gottgleiche Mensch, von dem hier die Rede ist, ist der römische Kaiser Augustus. Der Text stammt aus dem Jahr 9 vor Christus. Er steht auf einem Marmorquader, der heute in der Antikensammlung Berlin zu sehen ist. Als er entstand, war Augustus 54 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der namenlose Dichter dieser Lobpreisung hat damals rückblickend die Geburt des Kaisers zu einem universalen Power-Ereignis hochgestylt.

Ein paar Jahre später wurde Jesus geboren, ein Handwerkerkind aus Palästina. Der Evangelist Lukas hat mit Sicherheit diese Kaiserhymne gekannt, und er ließ sich davon inspirieren für seine weltberühmte Schilderung der Geburt Jesu. Schon damals gehörte es sich, Urheber eines Zitats zu nennen. So erwähnt Lukas den Kaiser gleich am Beginn: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“

Danach schildert Lukas in wunderbaren Worten, wie Maria ihr erstes Kind zur Welt bringt, es in Windeln wickelt und in eine Tierfutterkrippe legt. Die Hirten hören auf dem Feld eine himmlische Botschaft, die dem Hymnus auf den Kaiser ähnelt: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“

Es gibt viele Parallelen zwischen dem Säugling, der zum mächtigsten Mann der damaligen Welt werden sollte, und dem Baby aus der jüdischen Provinz. Der eine kam in der römischen Königsstadt Rom zur Welt, der andere in der jüdischen Königsstadt Bethlehem. Bei beiden wurde die Mutter auf übernatürliche Weise schwanger. Beide wurden von Sehern angekündigt: Augustus vom Sibyllinischen Orakel, Jesus von den Propheten. Beide waren, kaum geboren, vom Tod bedroht: Bei Augustus sahen die Senatoren in dem Kind eine Gefahr für die Republik und wollten es töten lassen, bei Jesus war es der machtgierige König Herodes.

Und doch sind beide so verschieden. Der eine brachte Ruhe in sein Riesenreich durch den brutalen Einsatz militärischer Gewalt. Augustus war totaler Autokrat, ließ sich als Gott verehren, Menschenleben waren ihm vollkommen gleichgültig. Jesus hat Kranke geheilt und sich um jeden gekümmert, der zu ihm gebracht wurde. Er hat in seinen bildhaften Reden das Gottesbild seiner jüdischen Herkunftsreligion revolutioniert – und wurde deswegen als junger Mann zum Tod verurteilt und hingerichtet.

Polternde Populisten jagen uns Angst ein, bis heute. Aber auf lange Sicht prägt die Liebe der angeblich Schwachen die Welt stärker. In diesem Sinne ein Weihnachtsfest voller Zuversicht für Sie alle!

Werner Tiki Küstenmacher, 71 Jahre alt, evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist und Buchautor, lebt in Gröbenzell. Sein neuestes Werk ist „365 Tage simplify your life“ im Nextlevel-Verlag.

 

 

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