Wörter – und das, was man sieht

Wörter – und das, was man sieht

Fotos: Simon Katzer, Hartung Trenz, Text: Doris Stickelbrocks

 

Ganz schön dunkel und riesig groß breitet sich der Garten der Zierer-Villa aus. Im Schimmer einer Straßenlaterne lässt sich ein langes rotes Stromkabel in der Wiese erahnen. Es mündet in einen LED-Projektor, über den Georg Trenz sich beugt. Zack, zerschneidet ein strahlend heller Lichtkegel die Dunkelheit. Worte schmiegen sich an die Blätter und Äste der Büsche, an die Holzbank, an die kurzen Grashalme und machen dabei Details der beleuchteten Umgebung sichtbar – dreidimensional, aber nur in den Ausschnitten, die durch die Buchstaben klar umrissenen sind. „Der Lichtzauberer“, kommentiert Hausherr Anton Kammerl das beeindruckende Schauspiel. Eine gute Überschrift für diesen Artikel? Nein, bloß nicht, winkt Georg Trenz ab. „Bitte auch nicht ,Meister des Lichts’ oder so. Ich bin bestenfalls Beobachter. Und Spieler mit Licht, Raum und Sprache“, fügt er an und tritt in den Lichtkegel. Er geht auf die Bank zu und lässt so mit jedem Schritt die Buchstaben auf seiner Silhouette tanzen.

 

Lichtkünstler, diese Bezeichnung passt. Ein Künstler, der für seine Arbeit kein Atelier braucht: Die Idee entsteht im Kopf, die Umsetzung am Rechner und jeweils an dem Ort, der bespielt wird. Seine aktuellen Projekte laufen in Köln, Westfriesland und Pula. Alles ein bisschen weit weg für einen Foto-Termin mit dem GUSTL, so hat Georg Trenz kurzerhand seinen Künstlervereinigungs-Kollegen Anton Kammerl gefragt, ob er seinen Garten in Gröbenzell (www.villa-zierer.de) als Location zur Verfügung stellen würde – hier ist genug Platz für Projektionen. 

 

Wörter sind es, mit denen Georg Trenz spielt, die er als Bild gestaltet und in eine Beziehung mit dem Raum setzt. Begonnen hat alles mit den Wörtern. „Mit minimalen Veränderungen kann man beim Schreiben Dinge ausdrücken, die man sonst in Stunden kaum erklären könnte“, hat er entdeckt und ausprobiert: Der simple Tausch des Großbuchstabens macht aus Aberglaube aberGlaube. Oder seine abgewandelte Schreibweise des Wortpaars Wi??en und Gef!!hl

 

Aber von vorn: Georg Trenz ist 1962 in München geboren und wohnt seit 1972 in Eichenau. Dass es für ihn in die künstlerische Richtung gehen würde, zeichnete sich schon am Gymnasium ab, er wechselte zur Fachoberschule für Gestaltung und studierte an der Fachhochschule München, machte 1986 sein Diplom im Fach „künstlerisch-ästhetisches Kommunikationsdesign“. Den Wehrdienst zu verweigern, sei damals kein Pappenstiel gewesen, blickt er zurück. Zwei Jahre dauerte der Zivildienst, dann begann er das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Gerhard Berger, später auch Meisterschüler, vertiefte dort sein Thema Wort-Bild-Beziehung und wurde für seine tief- und hintergründigen Ideen als einer von drei Absolventen 1994 mit dem Debütanten-Preis ausgezeichnet. Damit verbunden war die Möglichkeit, im großen Akademiesaal auszustellen. „Die anderen beiden Preisträger hatten ihre großformatigen Bilder und Fotografien, die sie aufwändig präsentierten, ich stand da mit meinen A4-Zetteln.“

 

DONA NOBIS PACEM, Gedenkveranstaltung zum Ende des Ersten Weltkrieges,

Kölner Dom, Südfassade, Köln, 2018  (gemeinsam mit Detlef Hartung)

Die 15-minütige Textanimation DONA NOBIS PACEM ist eine in drei Abschnitte gegliederte, typografisch gestaltete Ansammlung konnotierender Begriffe. Der erste Abschnitt erinnert an den Ersten Weltkrieg und sein Ende vor 100 Jahren. Die zweite Sequenz, ebenso lang wie die erste ist der Friedenssuche und dem Ringen um Frieden gewidmet. Zur dritten und letzten Sequenz erklingt das “dona nobis pacem” aus der h–Moll-Messe von Johann Sebastian Bach, BWV 232. Diese Sequenz steht für den Wunsch nach einem idealen, inneren wie äußeren Frieden und ist zugleich eine Referenz an den Kölner Dom und seine Beziehung zur Kölner Bevölkerung. Die gewölbten Zeilen mit den Friedensbegriffen formen sich zu Bögen, Brücken und tragfähigen Säulen. Farben und das Symbol des Regenbogens tauchen auf.

Da kam ihm die Idee mit den Diaprojektoren, und der Grundstein für die Lichtkunst war gelegt. Er projizierte auf die riesigen Gobelins in der Aula der Akademie und machte diese – ebenso wie den ganzen Raum und die Betrachter – zum Teil seines Werks. Zu diesem Zeitpunkt war der Künstler auch schon im Landkreis Fürstenfeldbruck aktiv, vernetzte und engagierte sich bei der Kulturwerkstatt Haus 10, die 1991 auf dem Klosterareal eröffnet wurde. Dort realisierte er auch 1995 seine erste Gesamtraumprojektion. Bei der langen Brucker Kulturnacht illuminierte er von 2002 – 2016 Jahr für Jahr einen anderen Veranstaltungsort, bis es keinen neuen Ort mehr gab.

 

Meist arbeitet Georg Trenz nicht allein: An der Münchner Kunstakademie lernte er Detlef Hartung kennen, es entwickelte sich eine kreative Zusammenarbeit, „es ist wie Ping-Pong“. Seit 25 Jahren sind sie nun als Licht-Künstler-Duo unterwegs, trotz der unterschiedlichen Wohnorte: Detlef Hartung zog es nach Köln, Georg Trenz blieb in Eichenau. Inzwischen kann das Duo auf weit über 100 Lichtkunstprojekte in aller Welt zurückblicken: Die alte Stadtmauer in Jerusalem, den Loreleyfelsen am Rhein, den Kölner Dom haben sie illuminiert, zahlreiche Kirchen, das Parlamentsgebäude in Adelaide, Australien, ebenso wie das Schloss Bellevue in Berlin, und, und, und. „Was haben wir uns am Anfang beworben – inzwischen wissen wir zwar nie genau, welche Projekte im nächsten Jahr kommen werden, aber wir wissen, dass welche kommen werden.“

 

Georg Trenz unterrichtet außerdem an Münchner Meister- und Technikerschulen Grundlagen der Gestaltung: „Alles hat eine Wirkung auf die Umgebung, alles ist Kommunikation – so etwas kann und muss man vermitteln. Und für die Schüler ist es gut, wenn ein Lehrer das, was er unterrichtet, auch lebt.“

 

ROSEGARDEN, Enchanted Gardens, International Festival of Light Art,,

Schloss Arcen, Arcen, NL, 2020 (gemeinsam mit Detlef Hartung)

Die Arbeit ROSEGARDEN im Rosarium von Schloss Arcen projiziert mit 12 LED-Projektoren insgesamt 3000 verschiedene Rosennamen als statische Textur in die barocke Gartenarchitektur.

In dieser Summe von Namenswörtern finden sich alle möglichen Wortarten und Redewendungen in den verschiedensten Sprachen und Sprachcodes. Dazwischen lesen wir Namen von Orten und Regionen aus der ganzen Welt und Persönlichkeiten aus Kunst, Politik oder Zeitgeschichte aller Epochen. In der Summe kreiert sich ein eigener Wortschatz, eine eigene Welt des Denkens und Kommunizierens, der die Besucher in eine grenzenlose, assoziative Landschaft aus Wörtern  entführt. Der Rosengarten wird zum Symbol der Schöpfung von Welt durch Bild und Sprache.

Perspektiven verändern, Blickwinkel weiten, über Dinge, Orte und Begriffe, die man kennt, neu nachzudenken – diese Absicht steckt hinter den Werken. „Früher reduzierten manche das, was ich mache, auf die Technik. Sie sagten: Dieser oder jener Künstler hat doch schon mit Projektoren und projiziertem Text gearbeitet. Dann entgegnete ich: Ja, es gab auch schon Leute, die gemalt haben.“ Hinter den projizierten Texten, und wie sie spezifisch gestaltet sind, steckt mehr als man manchmal glaubt, und eine eigene Handschrift.

 

Von 16. Dezember 2023 bis 4. Februar 2024 ist eine Ausstellung von Hartung und Trenz im Künstlerhaus Schafhof in Freising zu sehen (Am Schafhof 1, 85354 Freising). Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 14 bis 18 Uhr, Sonntag und Feiertage 10 bis 18 Uhr.

Preise

2019    Deutscher Lichtdesignpreis, Kategorie Lichtkunst, Kölner Dom (mit Detlef Hartung)

2009    SwitchOn, Lichtkunstpreis Gräfelfing 2009 (mit Detlef Hartung)

2000    Tassilo-Preisträger der Süddeutschen Zeitung

1997    Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck

1997    Förderpreis der Jürgen Ponto-Stiftung

1995    Förderpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck

1994    Debütanten-Preis der Akademie der Bildenden Künste München

 

 

Projekte mit Detlef Hartung (Auswahl)

 

2023    KÖRPERSPRACHE, Kunst am Bau, Uniklinik Köln                                             ROSEGARDEN IN PULA, Visualia Festival, Pula, HRV                                                   HAZIAK - SEMILLAS, Umbra Light Festival, Vitoria-Gasteiz, ESP

2022    CONSTELLATIONS, Klanglicht Festival Graz, AUT 

            PANTA RHEI, Water Light Festival Brixen, ITA                                                                GOLDBERGVARIATIONEN, Goldstücke. Light - Art - Projects Gelsenkirchen                       

2021    rundumNRW, Landtag NRW, Düsseldorf, anlässlich 75 Jahre NRW                                  ZEIT RAUM 16:40, St. Aposteln, Ambient Festival, Köln                                     KONTAKT, LUNA FESTIVAL, Leeuwarden, NL

2020    VIERKANT, MKKD Ingolstadt, Flux Lichtwerke Ingolstadt 2020

            IM INNERN, Universität München, Gedenkveranstaltung für Geschwister Scholl             VIS–À–VIS, MAKK, Collumina, Internationales Lichtkunstprojekt Köln   

 

2019    BRUCH LOS, Kulturkirche Bremerhaven,

            EVER & EVER, //Responsive 2019, International Light Art Project Halifax, CAN   LABYRINTH, Karmeliterkirche, Lange Nacht der Museen München

 

2018    DONA NOBIS PACEM, im Rahmen der Domwallfahrt, Kölner Dom, Köln             KALEIDOSKOP ABSTRACT, im Rahmen von Hannover leuchtet, Hannover             MAGNIFICAT, Konzert mit Bachorchester Fürstenfeldbruck

  

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