Ein sehr persönliches Weihnachtsgeschenk

Ein sehr persönliches Weihnachtsgeschenk



Eine Bekannte ruft an, und ich merke gleich, es geht um etwas Ernstes. Sie hat Krebs, und diese Diagnose hat sie unerwartet hart aus der Bahn geworfen. Zum Schluss unseres Gesprächs biete ich an: „Ich weiß, du glaubst nicht an Gott. Aber darf ich für dich beten?“ Sie wird das als freundliche Geste verstehen, denke ich, aber nicht viel damit anfangen können. Doch sie ist sichtlich bewegt. Ja, meint sie, das solle ich unbedingt machen, und bedankt sich.

Beten für andere, so habe ich es immer wieder erlebt, ist erstaunlich unabhängig von irgendeiner Gottesvorstellung. Viele Menschen beten, ohne sich konkret einen Adressaten dafür vorzustellen. Für andere etwas zu erbitten ist eine Form der Kommunikation, bei der der Absender wichtiger ist als der Empfänger. Und sie hat große Kraft. Sie schafft eine unsichtbare Verbindung zwischen zwei Menschen, die über das alltägliche „Ich denk an dich“ hinausgeht. Denn Sie zapfen eine dritte, größere Energiequelle an – unabhängig davon, woran genau Sie glauben, und ob die Person, für die Sie bitten, Christin, Muslima oder Atheistin ist.

Es gibt Formen des Gebets, die diese Kraft verloren haben. Etwa in den Fürbitten am Ende eines Gottesdienstes. Da wird für die ganze Welt gebetet, für alle Kranken, Einsamen und Leidenden. Meine Frau Marion bezeichnet das als peinliche To-do-Liste für Gott. Wir lesen sie ihm vor, weil wir ihn für so vergesslich halten, dass er sich nicht merken kann, den Hungernden zu helfen.

Der Geigenbauer Martin Schleske hat in seinem neuesten Buch „WerkZeuge“ eine originelle Form der Bitte für andere beschrieben: Er betreibt in seinem Gedächtnis (und Herzen) ein kleines Krankenhaus. In das legt er in Gedanken alle Menschen, von denen er weiß, dass sie Hilfe brauchen. Seine mentale Klinik hat sogar eine Intensivstation mit acht Belegbetten, in denen die akuten Fälle liegen. An die denkt er besonders oft und nimmt mit ihnen regelmäßig Kontakt auf. Wie ein Stationsarzt ist er froh, wenn eine Person ihren Platz in dieser Abteilung wieder genesen verlassen kann.

Mir ist es schon passiert, dass ich nachts an einen Menschen denken musste – und am nächsten Tag erfuhr, dass genau diese Person gerade etwas Schweres durchmacht. Ich bin sicher: Wir Menschen sind auf Kanälen miteinander verbunden, die wissenschaftlich noch völlig unerforscht sind.

Werner Tiki Küstenmacher, geboren 1953, ist evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist und Buchautor. Seit 1984 wohnt er mit seiner Frau, der Autorin Marion Küstenmacher, in Gröbenzell. Die beiden haben 3 Kinder und 2 Enkel.

 Frank T. Zumbach

Frank T. Zumbach

Vog“ach, wie schön!“

Vog“ach, wie schön!“