MISTGABELN UND MIEDERSCHLÜPFER

MISTGABELN UND MIEDERSCHLÜPFER

FOTOS: Simon Katzer TEXT: Christoph Bergmann

 

Die prächtige Magnolie links hinter dem schmiedeeisernen Hoftor, die vor kurzem noch in voller Blüte stand, scheint das einzig Lebendige auf dem gesamten Grundstück zu sein. Im Schuppen gammelt ein Anhänger mit Plattfuß vor sich hin, im Hof steht nur ein einsamer Plastikstuhl. Die vordere Eingangstür ist zugestellt mit Pflanztrögen, in denen irgendwelche Gewächse vertrocknet sind, in den Schaufenstern warten  Schälmesser, Siebe und ein rostiger Dosenöffner mit verblichenen Preisschildchen auf Kunden, die nicht mehr kommen werden. Nein, hier wurde schon lang nichts mehr verkauft oder gar investiert, hier scheint seit Jahren niemand mehr gewesen zu sein. Der ehemalige Gemischtwarenladen in der Maisacher Hauptstraße verfällt vor sich hin. Aber der Name des letzten Inhabers ist immer noch gut über dem Eingang lesbar: Hans Schamberger steht da in einer Schrift, die noch zu den Vorkriegsjahren passt.

 

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Auf den Namen Schamberger konnte man in der Zeit der Krämereien im westlichen Landkreis öfter stoßen. Aus den Ursprüngen in Egenhofen, wo es bis in die 1960er Jahre ein Geschäft gab, entwickelte sich offenbar eine kleine Händler-Dynastie, die vielleicht auch im regionalen Güter- und Grundstücksverkehr die Hand mit im Spiel hatte. Schamberger-Söhne heirateten hier und dort ein und betrieben schließlich auch Läden in Maisach, dessen heutigem Ortsteil Rottbach und – den größten von allen – in Mammendorf. Dort hatte ein Schamberger aus Maisach die Tochter der Krämerfamilie Kellerer zur Frau genommen und aus dem kleinen Gemischtwarenladen mit der Zeit eine Art Land-Kaufhaus mit separatem Eisenlager und Tank-Zapfsäule im Hof gemacht. Beim Schamberger gab es Drogerie-Artikel genauso wie Mistgabeln, Textilien wie Werkzeug. Und natürlich Lebensmittel und alle Arten von Haushaltswaren.

 

Anders als in Maisach, wo man mit der Nase am Schaufenster noch Reste der ehemaligen Einrichtung und des Sortiments erkennen kann – eine alte mechanische Waage, daneben etwas, das wie ein Tischstaubsauger aussieht – steht man in der Mammendorfer  Nikolausstraße, direkt hinter der Kirche vor herabgelassenen Rollläden. Aber mindestens einmal in der Woche öffnet der alte Kaufladen wieder für kurze Zeit, wenn nämlich Josef Braun von der örtlichen Historischen Vereinigung zum Lüften kommt. Und dann bietet sich ein Bild, als könnte man gleich wieder bedient werden, wenngleich das Waren-Angebot reichlich nostalgisch wirkt. Rechts, hinter der Registrierkasse, noch mit Kurbel zum Drehen bis es kling macht, stehen „Pril“ und Kernseife im Regal, scheinen „bayerische Malz-Drops“ und die Zigaretten von der „Milden Sorte“ auf Käufer zu warten. Linkerhand tut sich die Textil- und Kleider-Abteilung auf: Schubladen voll mit Krawattennadeln und Manschettenknöpfen, Garn und Nähseide, ja sogar „Miederschlüpfern“. Auch ein paar Hüte liegen noch da.

 

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Aber das ehrwürdige Ambiente täuscht. Eine Urkunde verrät, dass Josef Schamberger schon 1974 für seine 40-jährige Mitgliedschaft bei Edeka, der ehemaligen „Einkaufsgenossenschaft deutscher Kolonialwarenhändler“, geehrt wurde. Bis zuletzt, noch unter dessen Tochter Christine, war der Laden eine (selbstständige) Filiale des heutigen Handelsriesen. Am Schluss gab es auch schon Selbstbedienung und einen großen Spiegel gegen die Langfinger. Die Restbestände an Kurzwaren, die den Schluss-Ausverkauf im Jahr 2001 überlebt haben und Jahre später ebenso wie das gesamte Gebäude von der Gemeinde erworben wurden, sind noch original. Aber die übrige Kulisse stellt einen Kaufladen aus den 1950er-Jahren dar und wurde von den Hobby-Historikern wieder aufgebaut. Sie würden das Haus, auch eine komplette Schusterwerkstatt im Obergeschoss gehört dazu, gerne zu einem Ortsmuseum mit Archiv machen, das aber gleichzeitig für kleinere Veranstaltungen offen ist. Eine Vielzahl von künftigen Verwendungsmöglichkeiten – Eine-Welt-Laden, Café, Volkshochschule – wurden in einem Bürger-Workshop und im Gemeinderat schon diskutiert, bisher noch ohne Ergebnis.

 

Jetzt soll von einem Fachbüro eine Machbarkeitsstudie für eine künftige Sanierung erarbeitet werden. Die wiederum ist Grundlage für staatliche Fördermittel, ohne die es nicht gehen wird. Denn wenn auch die Substanz des 158 Jahre alten Gebäudes noch als ordentlich gilt: um Sanierungen und Umbauten wird man nicht herumkommen. Von einem siebenstelligen Betrag spricht Bürgermeister Josef Heckl.

 

Vor solchen Problemen stünde man ein paar Kilometer weiter vielleicht auch gerne. Aber in Maisach hat die Gemeinde ihre Bemühungen um einen Kauf des alten Schamberger aufgegeben. Ebenso wenig konnten offenbar private Liebhaber historischer Häuser bei den Erben landen. Was die Nachfahren mit dem Grundstück vor ist nebulös. Abreißen und neu bauen, die lukrativste Lösung, verbietet sich, weil dieser Schamberger – anders als der in Mammendorf – unter Denkmalschutz steht. Unter anderem die Haustür, noch aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, muss erhalten werden. Freilich: Eingreifen könnte auch die Denkmalschutzbehörde nur, wenn mehr als etwas Putz runterbröckeln würde. Aber, wie es Stefan Pfannes ausdrückt, Gemeinderat in Maisach und Archivpfleger aus Leidenschaft: „Noch ist das Dach drauf und sind die Fenster drin.“

 

Hier wie dort gibt es durchaus Stimmen, die das „alte Glump“ weghaben wollen. Von einem „Schandfleck“ ist in Maisach schon mal die Rede, auch Teile des Gemeinderates in Mammendorf würden sich wohl nicht gegen einen Abriss sperren. Auf der anderen Seite  hängen durchaus noch Emotionen an den ehemaligen Geschäften, die jeweils lange das vielfältigste Sortiment hatten, bis in den 1960er- und 1970er-Jahren die ersten, noch kleinen Supermärkte öffneten – und in Maisach sogar Alkohol ausschenken durften. „Beim Schamberger gab's alles“, heißt es gleichlautend in beiden Orten. Und was es nicht gab, wurde bestellt. Aber diejenigen, die sich noch daran erinnern können, sind weniger geworden. Wenn auch noch nicht ausgestorben, wie die Gemischtwaren- und Kolonialwarenläden.

Einmal vom Bahnhof zum Ort und zurück

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Der Brucker Viehmarktplatz

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