Kennen Sie Ihre Geschichtszahlen?

Kennen Sie Ihre Geschichtszahlen?

Dank eines guten Geschichtsunterrichts weiß ich ganz gut Bescheid über Mittelalter, Aufklärung und Weltkriege. Doch für welche großen historischen Ereignisse ich (Jahrgang 1953) selbst Zeitzeuge wurde, wurde mir erst in den letzten Jahren so richtig klar.

 

Die meisten Menschen kennen ein paar wenige Jahreszahlen ihres eigenen Lebens: Geburtstag, Schulabschluss, Hochzeit, Geburtstage von Partner, Kindern, engen Verwandten, und seit sie hier im Landkreis wohnen. Aber wann war diese herrliche Reise nach Brasilien? Und in welchem Jahr die schreckliche Lungenzündung? Ich versuche inzwischen, mir die Daten meines Lebens einzuprägen. Meine Brasilieneindrücke etwa sind von 1988 – also ziemlich veraltet. Bei der Anamnese beim Arzt macht es sich besser, wenn ich „Pneumonie 1999“ sage anstelle von: „Hm, irgendwann hatte ich was mit der Lunge“.

 

Sie kennen die berühmten Fragen: „Wo waren Sie, als die Mauer fiel?“ oder: „Wo erfuhren Sie von den Terroranschlägen am 11.09.2001?“. Doch während Ihres Lebens gab es weitere einschneidende weltpolitische Ereignisse, die die meisten wieder vergessen haben. Kriege etwa: Ich war im Oktober 1973 in Jerusalem und habe dort Beginn und Ende des Jom-Kippur-Kriegs aus nächster Nähe mitbekommen. Vor ein paar Jahren sah ich in Belgrad die aus dem Kosovo-Krieg von 1999 stammende Ruine des Verteidigungsministeriums. Ich musste nachsehen: 6 grausame Kriege gab es in Jugoslawien zwischen 1991 und 2001, mitten in meinem Leben.

 

Es ist reizvoll, sein Leben mit der Weltgeschichte zu synchronisieren. Genau wie ich sind Sie nicht nur Zeitzeuge von schlimmen Ereignissen, sondern auch von Wiederaufbau und Versöhnung. Dubrovnik, Weltkulturerbe und „Perle der Adria“, war nach der Bombardierung 1992 ein Trümmerfeld. Und heute? Schöner als je zuvor! Googeln Sie einmal Ihren Geburtstag, und staunen Sie, was da in der Welt passiert ist. Ich bin kurz nach der Krönung von Queen Elizabeth und dem Ende des Koreakriegs geboren. Als ich in der Grundschule war, galten die großen Flüsse Deutschlands als vergiftete Kloaken. Keiner glaubte, dass die je wieder werden könnten.

 

Seit wann haben Sie ein Handy? Beim Nachschauen fand ich meinen D2-Mannesmann-Mobilfunk-Antrag vom Dezember 1996 – erworben in einem winzigen Laden in Olching, der Anlagen für Betriebsfunk und Funkamateure verklopfte. Damit war ich bei den ersten paar Millionen. Heute gibt es in Deutschland 140 Millionen aktive SIM-Karten! Also, falls Sie bei so mancher technischen Neuerung seufzen, was Sie denn noch alles lernen sollen: Ein kleiner Blick zurück macht klar, welche Unmengen Innovationen Sie schon gemeistert haben! Wenn ich ein neues Auto bekomme, zeige ich in Gedanken meinem technikbegeisterten Vater (der 1961 starb), was mein neuer Schlitten alles kann. Er hatte einen Ford mit 3-Gang-Schaltung, ohne Autoradio.

Die Corona-Pandemie empfinden die meisten Menschen als etwas „noch nie Dagewesenes“. Der Wikipedia-Artikel über Pandemien verrät allerdings: Sie haben schon allerhand Seuchen überstanden! 1995/96 die Virusgrippe, die allein in Deutschland 30.000 Todesopfer forderte. Oder seit 1980 AIDS. An dieser Krankheit starben bisher weltweit unglaubliche 36 Millionen Menschen.

Erinnern Sie sich an Ihre eigenen Zukunftsvorstellungen. Als Gymnasiast habe ich mitgezittert angesichts der Voraussagen des Club of Rome, dass nach der Jahrhundertwende ganze Nationen durch Hungersnöte dahingerafft würden. 1985 konnte ich mir nicht vorstellen, dass Navigationssysteme jemals Straßenkarten verdrängen würden. Oder dass sich Privatleute Datenleitungen leisten könnten, über die sich ganze Spielfilme übertragen lassen. Oder dass es einmal ein Magazin im Landkreis namens Gustl gibt, das zehn Jahre alt wird!

 

 

Werner Tiki Küstenmacher ist evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist, Buchautor und wohnt mit seiner Frau, der Autorin Marion Küstenmacher, in Gröbenzell.

 

 

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