Zurück zu den Wurzeln
Eintauchen in die feuchte Kühle, die würzig nach Laub und Pilzen und Moosen duftet. Den Herbst schmecken, mit geschlossenen Augen, während die Hände Halt suchen und finden. An rauen Rinden und zarten Stämmen. Achtsam tasten sich die nackten Sohlen über den weichen Boden, lassen leise kleine Äste knacken und kuscheln sich wohlig in dem frisch gefallenen Laub. „Waldbaden ist mehr als ein Spaziergang im Wald“, hat Angela Weinfurtner aus Gröbenzell versprochen und damit fast ein bisschen untertrieben. Denn tatsächlich ist Shinrin Yoku, wie es in seinem Herkunftsland Japan heißt, kein esoterischer Bimbam, sondern ein intensiver Kurzurlaub für die Seele. Der die Sinne öffnet und das Immunsystem stärkt. GUSTL war mit der Kursleiterin im Wald des Fürstenfeldbrucker Trimm-Dich-Pfades unterwegs.
Der Ort ist wohl gewählt. Die Straße ist nicht weit entfernt, das Brausen des Verkehrs zwar allgegenwärtig und kaum vom Singsang der Vögel und dem Rauschen des Windes in den Baumwipfeln zu übertönen. Doch Angela Weinfurther ist wichtig, Orte mit ihren Kursteilnehmern anzugehen, die leicht zu erreichen sind. „Damit sie merken, wie nah das Gute liegt“, sagt die auf Anhieb sympathische Gröbenzellerin.
Angela Weinfurtner selbst war als Kind dem Wald sehr nah. Als jüngstes von zehn Kindern wächst sie auf einem Einödhof in der Oberpfalz auf. Wald und Weiher sind ihr Spielplatz, ihr Rückzugsort und – so sagt sie heute – „die Quelle meiner Kreativität.“ Nach dem Hauptschulabschluss geht sie mit 17 Jahren nach München, ist Stationshilfe in einem Altenheim, lernt mit 22 Jahren Altenpflegerin, arbeitet ambulant für eine Sozialstation und bekommt Rückenprobleme. Mit 27 Jahren holt sie, mit Nebenjob, ihr Abitur nach, studiert Architektur, heiratet, bekommt ihre Tochter, zieht nach Gröbenzell, arbeitet auf Baustellen und später wieder als Pflegekraft im Sozialdienst Gröbenzell. Als sich erneut der Rücken meldet, lernt sie in der Reha Qigong lieben. Macht die Ausbildung und entdeckt gleichzeitig das Waldbaden. Seit Frühjahr 2018 ist sie ausgebildete Kursleiterin mit Zertifikat (Deutsche Akademie für Waldbaden bei Annette Bernjus in Eltville), und Kursleiterin für Qigong (ASS Institut München).
Angela Weinfurtner macht eine kurze Erzählpause und saugt die kühle Waldluft ein. So frisch. So rein. Zu 98 Prozent, sagt sie dann, ist die Luft im Wald staubfrei, wie sie sonst nur noch auf dem offenen Meer oder hoch oben in den Bergen gemessen wird. „In den Wald gehen, ist viel leichter“, lacht sie.Und auch wegen den Terpenen (siehe Kasten) sehr gesund. „Der Wald ersetzt zwar keine Therapie, ergänzt und hilft aber, besser mit der Krankheit umzugehen und die Lebensfreude zu steigern“, weiß sie und erklärt das auch gleich den jetzt eintreffenden Kursteilnehmern: Frieda (57) und Julika (28) aus München sowie Thomas (54) und Malina (20) aus Gröbenzell.
Sofort geht es los. Ein paar Meter den flachen Hügel im Wald hinauf. Still und langsam und gemütlich. Zeit, einmal auf die vielen Farben zu achten. Auf den Wechsel des Lichts, das durch das grüne Laub fällt. Der eigentliche Startpunkt ist ein kräftiger, alter Baum, ein paar Meter vom Trimm-Dich Pfad entfernt, wo gehetzt Sportler im bunten Dress vorbeiprusten. Kurze Einführung, kurze Vorstellung, warum wer hier ist. Abstand, Ruhe, Stress und Gesundheit werden oft genannt.
Dann geht es mitten in den Wald hinein. Weg von den Wegen. Noch etwas zögerlich berühren wir die hohen Bäume, ertasten das weiche Moos, schnuppern an Harzen und vermoderten Ästen am Boden, die erstaunlich frisch duften. „Durch die Sinne nehmen wir die Umwelt auf und öffnen den Geist“, sagt Angela Weinfurtner und jetzt werden wir auch schon mutiger. Reiben die Wangen an den Rinden, vergleichen, staunen. Wie ein Kind. Wir lehnen uns an die Stämme, schauen in die Kronen, die im Wind synchron tanzen. Sehen Federn am Boden und staunen über Vielfalt des eben noch uniformen Waldes. Weich wie eine Matratze sinken die Füße ein, vor allem zwischen den Wurzeln. „Die beste Osteoporose Prophylaxe“, sagt Angela Weinfurtner und dass der Wald sowieso eine halbe Apotheke ersetzt.
Wir stehen im Kreis – in jedem Wald bilden Bäume irgendwo einen Kreis – und üben Qigong: die Atemblume. Weil Qigong die Vorstellungskraft der Zyklen verbessert. Und zusätzlich Ruhe und Abstand zum stressigen Alltag bringt. Still setzen wir optische „Anker“, hören tiefer in den Wald hinein, der jetzt lauter wird. Und der uns gänzlich aufnimmt, als wir die Schuhe ausziehen und unsere blanken Füße den Boden berühren. Weil die Sohlen mehr Sinneszellen haben als das Gesicht.
Das erste Mal barfuß im Wald! Es pikst, es kribbelt. Es kitzelt. Herrlich! Vorsichtig und langsam setzten wir die Schritte, bemerken Tierhöhlen, eben noch unsichtbare Pilze und schillernde Spinnenweben. Daumennagelgroße Frösche hüpfen unseren Zehen davon, bunte Käfer krabbeln über den Boden, zwischen Farnen und Kleeblättern, die so lecker sauer schmecken und den Durst löschen. Und wir sehen Müll. Zerknüllte Bierdosen, halbvermoderte Tüten, später sogar einen rosafarbenen Regenschirm! Wir nehmen alles mit und reinigen beim Waldbaden nicht nur unsere Sinne.
Eine halbe Stundelang suchen wir alleine unseren Weg durch den Wald, bleiben stehen, setzen uns auf den Boden, teilen unsere Gedanken mit den Bäumen. Bis uns das Koshi-Klangspiel zu Angela Weinfurtner zurückruft. Wie? Drei Stunden schon vorbei? Angela Weinfurtner lacht. Zurück bleibt ein Bilderrahmen aus Stöcken, den wir an unserem Startbaum mit ein paar Mitbringseln füllen. Mitnehmen werden wir eine tiefe Ruhe und den Wunsch, bald wiederzukommen.
Was ist Waldbaden?
Der Ursprung des Waldbadens ist in Japan zu finden: Hier haben Wissenschaftler anhand verschiedener Studien entdeckt, dass der Aufenthalt im Wald wie eine Aromatherapie wirkt. Deshalb ist hier inzwischen das „ShinrinYoku" eine anerkannte Stress-Management-Methode und wird vom japanischen Gesundheitswesen gefördert.
Beim Einatmen der ätherischen Öle, die Bäume in die Luft abgeben, wird das Immunsystem gestärkt. Der Körper produziert außerdem dank der in der Waldluft enthaltenen Terpene verstärkt sogenannte „Killerzellen“, die sogar gegen Krebs wirken. Studien haben außerdem ergeben, dass sich durch den Aufenthalt im Wald Depressionen, Angstzustände und Wut verringern, Stresshormone abgebaut werden und die Vitalität steigt.
Seit 2012 gibt es in Japan sogar einen eigenen Forschungszweig: Waldmedizin. Vor allem Menschen in Großstädten wird der regelmäßige Aufenthalt in Wäldern verordnet. Dazu wurden spezielle Gebiete zu Wald-Therapiezentren ernannt. Zu Angela Weinfurthner kommt allerdings demnächst ein Medizinstudent aus Japan: Er nimmt an zwei Terminen teil um zu erfahren, wie Wälder hier privat für die Erholung genutzt werden.
Waldbaden mit Qigong: Fürstenfeldbruck auf der Ludwigshöhe, 7. Oktober, 15 Uhr
Waldbaden – Kurs: Samstag-Kurs (6 x): Aubinger Lohe, 15 Uhr, 22. September bis 27. Oktober
Vier-Jahreszeiten-Waldbaden: Wechselnde Orte, 15 Uhr, Start 21. Oktober
Anmeldung: www.gela-waldbaden-qigong.de
Besondere Wanderungen im Landkreis:
Lachwanderung – Atem-, Lach- und Achtsamkeitsübungen in der Natur, Brucker Forum, Samstag, 13. Oktober, 16 bis 18 Uhr, Parkplatz am Friedhof, info@brucker-forum.de, 08141 44994
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Wanderung von Kinding nach Kipfenberg. ca. 11 km, 22. September, Start S-Bhf. Buchenau Abfahrt 8:28 Uhr, Mach-Mit-Verein,
Wanderung durch die Amperauen nach Estingca 8 km, 6. Oktober, S-Bhf. FFB, 10 Uhr.
Wanderung zum Planetarium Garching max. 11 km, 20. Oktober, S-Bhf.-Buchenau, 8:08 Uhr.
Wanderung von Erdweg über Happach nach Altomünster, ca. 10 km, 3. November, S-Bhf. Buchenau, 8.28 Uhr.
Wanderung von Eichenau nach FFB ca. 7 km, 1. Dezember, S-Bhf. Buchenau, 9.48 Uhr oder 10 Uhr Bhf. Eichenau.www.machmitverein.de