Bis in die Fingerspitzen
Jonas Aumiller (19), Emmering
„Üben, Üben, Üben“ steht auf der Postkarte, die sich auf dem glänzend schwarzen Piano an das Metronom lehnt. Zwischen Stapeln von Noten und dem tief über seinen winzigen Flügel gebeugten Schröder von den Peanuts, dem andächtig Lucy lauscht. Dreimal also „Üben“ – „mach ich aber nur zweimal“, gibt Jonas Aumiller zu und lacht. Denn diese „zweimal“ sind Stunden, in denen der zierliche junge Mann mit seinen flinken Fingern über die Tasten fliegt. Das Klavier ist für den 19-jährigen Konzert-Pianisten aus Emmering „Mein Platz.“
Aufgewachsen mit Opernmusik, die seine Eltern gerne zu Hause abspielten, wird sein Ohr früh an klassische Musik gewöhnt. Das Klavier im Wohnzimmer, ein Familienerbstück des Vaters, zieht den ältesten Sohn magisch an. „Es stand da und machte Töne, wenn ich die Tasten berührte. Das hat mich fasziniert“, erzählt Jonas Aumiller. Doch erst mit sieben Jahren geben die Eltern nach und melden ihn zum Klavierunterricht in der Musikschule an. Da kann Jonas Aumiller schon lesen, schreiben und überspringt die zweite Klasse.
Der schmale Junge sitzt seitdem täglich am Klavier. Er übt ein bisschen und spielt viel mehr. Im Gymnasium wird „das Wunderkind“, wie er im Ort genannt wird, respektiert – obwohl er nicht Fußball spielt und außer beim Tennis kein sportliches Talent beweist. Der Entschluss, Berufspianist zu werden, fällt schon mit 14 Jahren. Jonas Aumiller, der bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich Arzt werden wollte, stellt sich bei Professor Massimiliano Mainolfi in München vor. „Er eröffnete mir eine ganz neue Dimension der Musik“, strahlt der junge Mann, der sich jetzt entscheiden muss: „Der Lehrer wollte mich nur unterrichten, wenn ich die Musik auch zum Beruf mache.“
Klassische Musik ist seine große Liebe – nie hat er das Bedürfnis, etwas anderes spielen zu wollen, „weil sie so vielseitig ist.“ Jonas Aumiller ist fortan ständig mit ihr unterwegs. Auf Wettbewerben, Konzertreisen, Festivals – dreimal in New York. Anfangs begleitet ihn die Mutter, dann ist er alleine unterwegs. „Man wird schnell selbständig“, sagt der ehrgeizige Pianist, dessen zierliche Hände mühelos über elf (!) Tasten greifen können. Die Erarbeitung der Meisterwerke und ihre Gedankengänge, ihre Emotionen sind seine Leidenschaft. „Das ist die wahre Schönheit der Musik“, schwärmt er und dass sich vieles einfach nicht erklären lässt. Nach dem Abitur (1,0) geht der Emmeringer sofort zum Hauptstudium „Pianoforte“ nach Italien. Gerade ist er für ein Semester an der Erasmusschule in Nürnberg. Sein Ziel: der Bachelor of Music, dann den Master – und dann?
Jonas Aumiller zuckt mit seinen schmalen Schultern. Die Musik hat auch ihre Schattenseiten, sagt er und erzählt vom harten Konkurrenzkampf, vor allem, seit aus Asien zur Perfektion gedrillte Musiker nach Europa drängen. Jonas Aumiller ist kein Perfektionist. Wie viele berühmte Pianisten vor ihm übrigens auch nicht: Artur Rubinstein oder Vladimir Horowitz. Das Gefühl, die Persönlichkeit ist für Jonas Aumiller die Quintessenz der Musik. Deshalb mag er auch keine CD-Aufnahmen. Weil der einzigartige Moment fehlt, der nur auf der Bühne passiert, wenn er spielt.
Neben dem Klavier beschäftigt sich Jonas Aumiller gerne mit Filmklassikern: Absolute Lieblingsfilme sind „Taxi Driver“, „Der Pate“ und „Good Fellas“. Und er geht gerne auf Partys und mit seinem besten Freund Shoppen. Sein Stil ist sportlich elegant, was gut zu seiner kleinen Statur passt und ihn größer wirken lässt. Auf der Bühne erscheint er eh viel größer – „Das Publikum ist oft sehr überrascht, wenn ich unter den Leuten stehe und sie mich sehen“, lacht der 1,71 Meter-Mann.
Ein Leben ohne Klavier? Jonas Aumiller schüttelt seinen hübschen Kopf. „Kann ich mir nicht vorstellen. Konzertpianist zu sein, ist mein Lebenstraum“, sagt er, ohne zu wissen, ob er einmal von seiner Kunst leben kann. Er grinst. „Notfalls kann ich ja immer noch Arzt werden.“ Petra Neumaier