Weihnachtswünsche
„Ich wünsch mir nix, ich hab schon alles!“ Ein gefürchteter Satz bei schenkfreudigen Weihnachtsfans. Ja, jetzt kommt sie wieder, die Geschenkezeit.
Warum schenken wir überhaupt? Weil wir uns freuen, dass wir beschenkt werden von Gott. Er (oder sie?) ist Mensch geworden, geboren von einer Jungfrau (oder einer jungen Frau?), in einem Stall in Bethlehem (oder Nazareth?).
Warum nicht dieses Jahr das Ganze einmal rumdrehen? Nicht so sehr ans Schenken denken, sondern an das, was man alles bekommt! Vom Geber- in den Empfängermodus wechseln. Zu egoistisch? Nein. Nur wenn ich mit echter Freude Geschenke annehmen kann, hat das Schenken einen Sinn. Zerbrechen Sie sich nicht wie bisher als Erstes den Kopf, was Sie anderen unter den Christbaum legen. Sondern stellen Sie die zauberhafte Frage: „Was wünsche ich mir?“
Das können die üblichen materiellen Wünsche sein: Dinge, die Sie brauchen (neue Tischtennisschläger) oder als Luxus empfinden (diesen Wahnsinnsbildband über japanische Gärten). Sachen, zu denen der Geber noch Zeit und Know-how schenkt: Dinge, die mühsam aufzutreiben sind (eine Decke, die farblich zu Ihrem quietschgrünen Sofa passt), deren Kauf Sie fachlich überfordert (ein Tabletcomputer mit genau den Features, die Sie brauchen) oder die jemand eigenhändig für Sie herstellt (ein Regal für diese winzige Ecke hinter der Tür).
Außerdem gibt es nicht-materielle Wünsche: Dass Ihr Bruder beim Mittagessen am ersten Weihnachtsfeiertag nicht wieder mit der alten Story vom falsch verteilten Erbe anfängt. Dass Sie heuer alle miteinander die Christmette besuchen. Dass Ihr Partner mit Ihnen zwischen den Jahren einen richtig schönen Winterspaziergang macht.
Und die ganz großen Wünsche: Dass die Kriege aufhören und der Terror nicht Millionen Menschen aus ihrer Heima vertreibt. Dass sich der Reichtum auf der Welt irgendwie so zurechtrüttelt, dass alle was davon haben. Dass wir und unsere Lieben gesund bleiben – oder werden.
Unerfüllbar? Zum Geheimnis des Wünschens gehört, an die Erfüllung zu glauben. Den „viel zu teuren“ Bildband gibt es möglicherweise auch antiquarisch, Ihre Sofafarbe liegt plötzlich wieder im Trend, Ihrem Bruder steht der Sinn endlich nach Versöhnung, dem unerfahrenen neuen US-Präsidenten gelingt ein außenpolitischer Coup …
Spätestens beim letzten Beispiel wird klar, wie viel Kraft das Wünschen kosten kann. Kein Wunder, dass es viele aufgegeben haben. „Ich wünschte, du würdest mir mehr im Haushalt helfen.“ Solche Sätze bleiben ungesagt, weil man hofft, der andere würde sie erraten. Da schicken Menschen ihre Wünsche lieber ans Universum, als sie gegenüber dem zu äußern, der sie erfüllen kann. Schluss damit! Nehmen Sie dieses Gustl-Heft, zeigen Sie Ihrem Partner diese Kolumne und sprechen Sie Ihre gegenseitigen Wünsche laut aus. Damit können Sie einen heiligen Wunschpunsch anrühren und Ihr Weihnachtsfest revolutionieren!
Und dann sind alle wunschlos glücklich? Vermutlich nicht. Trösten Sie sich mit der Zeile aus dem herrlichen Roman „Die vier Jahreszeiten des Sommers“ (den mir meine Frau geschenkt hat, ohne dass ich ihn mir gewünscht hätte): „Man erntet Langeweile, wenn man bekommt, was man will.“
Die Kolumne von Werner Tiki Küstenmacher
Werner Tiki Küstenmacher, 63 Jahre alt, ist evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist und Autor. Er wohnt mit seiner Frau, der Autorin Marion Küstenmacher, in Gröbenzell. Ihre drei Kinder leben in Melbourne, Heidelberg und Wien. Küstenmacher hat viele Bücher veröffentlicht, am erfolgreichsten wurde „simplify your life“.
Sein jüngstes Werk „Entrümpeln – ein Übungsbuch“ erscheint am 17.12. bei GU.
Am 12. Februar 2017 um 10.00 Uhr ist er in Radio Bayern 1 mit der Evangelischen Morgenfeier zu hören.