Mit (Un-)Geduld und Spürsinn

Mit (Un-)Geduld und Spürsinn

Fotos: Simon Katzer – Text: Petra Neumaier

 

Das Lächeln steht ihr gut. Dann blitzt der Schalk aus ihren grün-grauen Augen und bilden sich jugendliche Lachfältchen drum herum. Der Schalk lugt auch immer wieder aus ihren Worten, ihren Sätzen hervor, die klar formuliert und geradlinig sind. Kathrin Sonnenholzner weiß, was sie sagt und was sie will. Und obwohl Geduld nicht ihre Stärke ist, kann sie dann auch warten. Exemplarisch dafür steht vielleicht die Geschichte mit ihrem Nachnamen. „Nicht im Traum“ dachte sie daran, ihn bei einer Heirat abzugeben. Ein Doppelname? Nein danke. Der dritte Sohn ist unterwegs, als das Gesetz geändert wird und bei Heirat erlaubt, dass die Frau ihren Namen behalten darf. Auf zum Standesamt. Sie lächelt. Für ihre Überzeugung zuweilen einen längeren Atem haben zu müssen, neue Wege zum Ziel zu finden, zeichnen die ehemalige SPD-Gemeinde- und Kreisrätin sowie Landtagsabgeordnete und noch immer amtierende Präsidentin des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO) aus. Und halten sie weiter auf Trab.

 

Ungeduldig zu sein, ist sicherlich nicht die beste Voraussetzung für eine leidenschaftliche Politikerin. Zumal, wenn sie sich neben der Familie und vielen Ehrenämtern in einer Vielzahl von Ausschüssen und lange auch als Führungsperson ihrer Fraktion engagiert. Bürokratismus, nicht enden wollende Verfahren und ebensolche Diskussionen in Gremien, obwohl Lösungen nicht selten klar vor ihnen lagen: Kathrin Sonnenholzner verdreht die Augen. Das braucht Geduld. Und Kraft, die sie nach getaner Arbeit in ihrem Garten findet. „Ein ökologischer und naturnaher Garten“, sagt sie mit einem Augenzwinkern und entschuldigt damit,

 

„dass ich mich selbst von Pflanzen nicht unter Druck setzen lasse.“  

 

Samstags auf den Bauernmarkt mit dem Bus zu fahren, ist ihre Tradition – und eine Leidenschaft, genauso wie das Kochen und Kaffee aus süditalienischen Kaffeebohnen, zubereitet in ihrer Profi-Maschine

 Drei- bis viermal in der Woche walken und ab und zu Wandern – aber nicht in den Bergen. Die bevorzugt Kathrin Sonnenholzer nur mit Schnee. Vielmehr liebt sie die sanften Hügel ihrer Heimat, und genießt besonders bei Kottgeisering die gigantische Panoramakulisse inklusive Ammersee und Ampermoos.

Geboren wird Kathrin Sonnenholzner in München – und hier geht sie zur Schule. Zu Fuß, eine ziemliche lange Strecke, die auch durch den Englischen Garten führt. „Manchmal ein bisschen unangenehm“, sagt sie, (schwärmt aber gleichzeitig vom Austausch mit den Freundinnen auf dem gemeinsamen Schulweg. Wodurch das Ankommen schon mal etwas später wurde – sie schmunzelt). Natürliche Redegewandtheit, Selbstsicherheit, Empathie für die Probleme ihrer Mitschüler verhelfen ihr zur Klassensprecherin, dann zur Schulsprecherin. Mit 18 Jahren tritt Kathrin Sonnenholzner in die SPD ein.

 

 „Ich wollte mich politisch engagieren, wegen dem „Nie wieder“ und der sozialen Gerechtigkeit.“

 

Ihr Berufswunsch seit früher Jugend: Ärztin. Bereits der Urgroßvater war Arzt, das ist für sie genetisch jedoch nicht relevant. Denn eigentlich möchte sie Großtierärztin werden. Beim Praktikum in einem Krankenhaus stellt Kathrin Sonnenholzner mit 16 Jahren fest: „Menschen sind auch nur Säugetiere“, und strebt die Humanmedizin an. Mit der Abiturnote von 2,5 ist sie selbst sehr zufrieden, die Note reicht wegen Numerus Clausus jedoch nicht für das Studium in Deutschland. In Belgien schon. Die Note Eins im Französisch-Abitur hält Kathrin Sonnenholzner für ein Fachstudium für nicht ausreichend. Darum studiert die strebsame junge Frau erst einmal ein Jahr lang in Grenoble Romanistik. Sie lächelt.

 

„Am besten habe ich die Sprache als Skilehrerin für Franzosen gelernt.“

 

In Brüssel, dann in Aachen und schließlich zurück in München schließt sie das Medizin-Studium 1983 ab.

 

Kathrin Sonnenholzner bezeichnet sich selbst als „Kino-Freak“. Besonders das Lichtspielhaus hat es ihr angetan, wegen des Ambientes, des Kino-Erlebnisses von anno dazumal – und weil hier der Betrieb von Ehrenamtlichen aufrechterhalten wird. Vom Kinderfilm mit den Enkeln bis zu Dokumentationen schaut sie sich alles an, was gerade läuft. Wenn sie Zeit hat. Nur Science-Fiction und Horror-Filme lässt sie aus.

Eine Weile arbeitet die junge Ärztin im Krankenhaus, dann folgt schon die Familiengründung. Sohn Nummer eins ist unterwegs, als das Paar mit einem anderen zu dem Schluss kommt: Die Stadt ist nichts für Kinder. Ein ländliches Anwesen im Osten wird gesucht und im Westen bei Jesenwang gefunden: Ein alter Bauernhof (der Dachstuhl ist von 1847), perfekt für zwei Familien (real geteilt) und mit großem Garten. Die Familie zieht 1985 mit dem gerade mal drei Monate alten Buben um. Noch nicht ins Haus. Sondern davor. In einen Wohnwagen und ein Zelt. Ein halbes Jahr lang. Viele Monate wohnen sie noch in einer Baustelle. „Wir mussten das Haus nahezu komplett entkernen und neu wieder aufbauen“, sagt Kathrin Sonnenholzner und seufzt. Aber nicht deshalb. Eher wegen des Gedankens, den sie hatte.

 

„Niemals werde ich hier im Alter noch wohnen“, dachte sie damals und lacht heute. „Jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, wieder in die Stadt zu ziehen.“

 

Mit Haus, Garten und zwei weiteren Söhnen ist das Thema „Praktizierende Ärztin in einer Praxis“ passé. Zumal: Eine Ganztagsbetreuung gibt es nicht und ist auch nicht politisch gewollt. Damals. Als der Jüngste in die Schule kommt und schon vor 11 Uhr wieder vor der Tür steht und Kathrin Sonnenholzner, als Gemeinderätin (seit 1996) mit dem Thema nicht weiterkommt, schreitet sie zur Tat. Als sich eine Elterninitiative gründet, schlägt sie vor, auch gleich einen AWO-Ortsverein ins Leben zu rufen, um einen Träger präsentieren zu können. So kann 1998 die erste Mittagsbetreuung öffnen. 14 Jahre lang leitet Kathrin Sonnenholzner die Einrichtung, der sie eine „wahre Erfolgsgeschichte“ bescheinigt.

 

 „Neue Herausforderungen sind immer spannend.“

 

Den öffentlichen Nahverkehr schätzt Kathrin Sonnenholzer im Landkreis sehr. Selten fährt sie mit dem Auto und sogar zu ihren AWO-Terminen reist sie öffentlich durch ganz Deutschland.  „Das funktioniert top“, lobt sie, die ein regelrechter Profi ist, per App die richtigen Verbindungen auszukundschaften. Und seit sie festgestellt hat, dass sie durch das öffentliche Fahren mehr Schritte geht (Stichworte „Gleiswechsel“, „Wagennummer-Änderungen“) machen ihr die Probleme auch nichts mehr aus. „Das ist mal ein positiver Nebeneffekt.“ 

Ein Stein kommt ins Rollen – ein politischer Stein und für ihre Überzeugung: 13 Jahre Gemeinderätin, sechs Jahre SPD-Unterbezirksvorsitzende, 22 Jahre Kreisrätin, 14 Jahre als Fraktionsvorsitzende, 15 Jahre Abgeordnete im Bayerischen Landtag. Zahlreichen Ausschüssen und sonstigen Gremien gehört sie an. Aktiv. Gestaltend. Ihre „Ungeduld“ erweist sich als Stärke: Kathrin Sonnenholzner ist sehr schnell – in ihren Reaktionen, beim Arbeiten. Sie erwartet viel von sich und anderen und kommt gerne rasch zum Erfolg. Zum Ziel. Als „schwere Prüfung“ bezeichnet sie vor allem die Zeit im Landtag. Quälend lang sind die Debatten, vor allem beim Thema Ganztagsbetreuung. Sie trommelt mit den Fingern auf den Tisch.

 

„Jahrelang ist nichts passiert“,

 

sagt sie kopfschüttelnd. 2018 scheidet sie aus dem Landtag aus – und freut sich, nicht mehr so oft fotografiert zu werden (Seitenblick auf GUSTL-Fotograf Simon Katzer) und auf mehr Zeit. Kathrin Sonnenholzner will sie nutzen, um die Welt zu sehen. 2019 reist sie mit der „Togo-Hilfe“ nach Afrika – auch als Ärztin. Sie strahlt: „Das war wunderbar“ und plant weitere Reisen. Was folgt, ist die Pandemie. Und sie stellt fest: Die Zeit lässt sich ohne Reisen füllen, der gelernte Beruf vor Ort einsetzen. Im Impfzentrum ist sie jetzt wieder Ärztin.

 

„Eine spannende Erfahrung“,

 

sagt Kathrin Sonnenholzner, weil die Patienten froh waren, kommen zu dürfen und zufrieden gingen.

 

Die seit 1998 bestehende Verbindung zur AWO und ihr dortiges Engagement machen die umtriebige Jesenwangerin 2021 zur Co-Präsidentin beim Bundesverband. Eine zum Anfassen und eine, die zuhört und eine mit einem Spürsinn für wichtige Themen. Um das zu verdeutlichen, besuchen sie und ihr Kollege Michael Groß in den Sommermonaten zwischen Juni und September Einrichtungen in ganz Deutschland. Im vergangenen Jahr waren es für Kathrin Sonnenholzner allein 60 Termine an 35 Orten in acht Bundesländern! Die ersten Anfragen für dieses Jahr liegen bereits auf dem Schreibtisch. Kein Wunder also, dass sich die Trägerin der Bayerischen Verfassungsmedaille (in Silber) im Januar im Kreistag und damit von ihren Ämtern in Gremien verabschiedet. Das Abgeben des Verwaltungsrates des Krankenhauses fällt ihr dabei besonders schwer. Dennoch:

 

„Kreistag und AWO sind einfach zu viel!“

 

Die Kümmerin für Alles und Jeden passt auf sich auf. Darum beendete sie schon vor Jahren ihre Leidenschaft Skifahren („die Unfallgefahr steigt und für das Ausheilen möglicher Verletzungen bin ich viel zu ungeduldig“). Aufgegeben hat die 67-Jährige auch den Wunsch, das Akkordeonspielen zu lernen („zu schwer, da geh ich lieber jedes Jahr zur Akkordeonale in Fürstenfeld und hör zu“). Ihr großer Wunsch, das Käsemachen zu lernen – und vom Melken bis zur Reifung – bleibt. Am liebsten auf einer Alm. Und wann? Der Schalk leuchtet wieder aus ihren grün-grauen Augen. Keine Ahnung.

 

 „Aber ich fühl mich ja noch jung.“

 

 

1956 in München geboren

1975 bis 1983 Studium der Romanistik und Medizin in Grenoble, Brüssel, Aachen und München

1974 Eintritt in die SPD

1996 bis 2009 Gemeinderätin in Jesenwang

1997 bis 2003 SPD-Vorsitzende des Unterbezirks Fürstenfeldbruck

2002 bis 2024 Kreisrätin *

2005 bis 2019 Fraktionsvorsitzende im Kreisrat

2003 bis 2018 Abgeordnete im Bayerischen Landtag:

2013 bis 2018 Stellvertretendes Mitglied im Ältestenrat, Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege und stellvertretende Vorsitzende des Landesgesundheitsrates; Mitglied im Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik sowie im Ausschuss für Land- und Forstpolitik. Seit 2008 Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit. Seit 2003 Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion.

2019 Bayerische Verfassungsmedaille in Silber

Seit 2021 Vorsitzende des Landesgesundheitsrates Bayern

Und Co-Präsidentin beim Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, dem Verein „Frauen helfen Frauen in Fürstenfeldbruck“ und der Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie.“

 

* 2002 bis 2024 zeitweise SPD-Fraktionssprecherin, Mitglied des Verwaltungsrats des Kommunalunternehmens Kreisklinik FFB/Seniorenheim Jesenwang, Mitglied der Trägerversammlung des Jobcenters, Mitglied des Ausschusses für Kultur, Freizeit und Sport sowie Mitglied des Ausschusses für Energie, Umwelt und Planung. Zudem fungierte sie als Stellvertretung für den Personalausschuss, den Kreisausschuss und den Jugendhilfeausschuss.

  

Das Bayerische Bozen – Adelshofen

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