Urlaub, maßlos!

Urlaub, maßlos!

Wer abnehmen will, sollte sich regelmäßig auf die Waage stellen. Wer sich immer zu viel vornimmt, sollte checken, welche Tätigkeit wie viel Zeit benötigt. Aber ob die Messerei immer eine gute Idee ist? Wohin ich gucke: Quälerei, Zählerei.

 

Jeder Tag ist letztlich ein Messvorgang, und das startet entsetzlich früh im Leben. Spätestens wenn ein Kind in Kita oder Schule kommt, wird es zum Objekt permanenter Zeitmessung: „Trödel nicht, um 8 Uhr musst du da sein!“ Ein paar Minuten Zugabe, ein paar Momente Zugeständnis an den Takt eines Kindes, und das Leben von Eltern und Kindern wäre so viel leichter!

 

Jeden Morgen sehe ich nach, welche Termine den Tag unterteilen. Schulkinder, Studierende, Arbeitende – alle leben nach einem vorgegebenen Takt. Am Abend ist endlich Ruhe, und schon rechnet man aus, auf welche Zeit der Wecker für den nächsten Morgen gestellt werden muss.

 

Smartphone, Computer, Auto – lauter weitere Messmaschinen. Über vielen Online-Artikeln steht, wie viele Minuten ich für die Lektüre brauchen werde. Fast automatisch zähle ich mit, wie viel Geld ich noch zur Verfügung habe, wie viel Zeit bleibt bis zur nächsten Verpflichtung, wie viele Kilometer bis zur nächsten Tankfüllung, wie viele Mal das Telefon klingelt, bis ich abhebe. Der Alltag ist ein Fest der Messtechnik, ein Räderwerk des Zählens.

Ein Wunder, dass wir das aushalten. Denn eigentlich sind wir dafür nicht gebaut. Vielleicht lieben wir deshalb Haustiere, weil sie einem ein Dasein ohne jeden Zählvorgang vorleben. Unser Hund kannte nicht einmal die Zahl seiner Beine. Wenn er aus der Nässe ins Haus kam, habe ich ihm die Pfoten abgetrocknet. Dabei ist er regelmäßig nach dem dritten Bein weggetrottet. Offensichtlich glaubte er, die Prozedur wäre beendet.

 

Deshalb ist, finde ich, die gesündeste Form von Urlaub: ein Leben ohne Uhr, ohne Zahlen und Zählen, ganz im Ur-Säugetiermodus. Als Mini-Auszeit kann schon ein Sonntag ohne jeden Termin ein Genuss sein. Aufstehen ohne Wecker, ein Frühstück ohne Grenzen, das ins Mittagessen übergeht oder gleich in den Nachmittagstee …

 

Auch mitten im Alltag lassen sich kleine Nischen des Nicht-Messens einrichten. Stellen Sie einen Wecker, dass er zum Ende Ihrer Arbeitszeit klingelt, aber drehen Sie ihn von sich weg, damit Sie nicht aufs Zifferblatt sehen können. Oder arbeiten Sie ohne Uhr an einer Aufgabe, bis sie erledigt ist – und nicht nur, bis ein bestimmter Zeitpunkt erreicht ist. Es ist erschreckend, wie schwierig so etwas zu organisieren ist. Aber es ist herrlich, den eigenen Takt finden zu dürfen.

 

Werner Tiki Küstenmacher ohne Zahlen: evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist und Buchautor. Lebt mit seiner Frau, der Autorin Marion Küstenmacher, in Gröbenzell. Die beiden haben Kinder und Enkel.

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Hurra, hurra, der Pumuckl ist da …

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