Von wegen Weltbürger

Von wegen Weltbürger


Ich lebe in Gröbenzell, fühle mich als Europäer und denke global. Ich interessiere mich dafür, was in der Welt passiert. Meinen Heimatplaneten kenne ich, dachte ich. Bis neulich.

Da habe ich mit dem famosen Google Maps herumgespielt. Beim Klicken auf „Meine Zeitachse“ zeigt die Weltkarte mit roten Klecksen alle Punkte, an denen ich schon einmal war (also seit Google das speichert). Beim Draufzoomen wurde mir klar: Meine Reiserouten bilden zusammengenommen eine lächerlich dünne Spur!

 

Selbst ein Vielreisender kennt statistisch gesehen von „der Welt“ aus eigener Erfahrung lediglich Kleckse, Pünktchen, Miniminiflecken. Welches Land glauben Sie, ganz gut zu kennen? Gucken Sie in Google Maps mal drauf. Welche Orte haben Sie dort tatsächlich besucht? Wie viele Straßen einer Stadt haben Sie betreten? Wie viel Promillebruchteile der Fläche des Landes waren das? Mit wie vielen Menschen dort haben Sie gesprochen?

 

Und was ist mit der nächsten Umgebung? Ich wohne jetzt über mein halbes Leben in Gröbenzell. Aber selbst dort war ich noch nicht einmal in jeder Straße. Beim Radeln entdecke ich immer wieder neue Flecken. In wie vielen der Gebäude, an denen ich vorbeikomme, war ich schon einmal? Einem Bruchteil! Wie viele der über 20 000 Menschen, die hier wohnen, kenne ich wenigstens vom Gesicht her? Wenige! Die besten Informationen darüber, was für famose Leute in meiner Umgebung wohnen, habe ich aus dem GUSTL. Echt!

 

Mein Fußabdruck auf dieser Erde ist ein Fußabdrückchen auf einem riesigen Planeten.

 

Ich werde vorsichtiger umgehen mit dem schnell mal ausgesprochenen „global“. Woher nur kam meine nassforsche Überzeugung, die Welt zu „kennen“? Der Soziologe Niklas Luhmann hat es vor über einem Vierteljahrhundert verraten: „Was wir über unsere Gesellschaft wissen, ja über die Welt, in der wir leben, wissen wir durch die Massenmedien.“ Doch die beleuchten nur ein paar wenige winzige Punkte auf der Erde. In eine normale Tagesschau passen selten mehr als sieben Meldungen, und immer ist noch Platz für Sport und Wetter. Ist es nicht absurd, als Zuschauer danach das Gefühl zu haben, zu wissen, „was in der Welt los ist“?

 

Ich schaue Nachrichten in Zukunft mit den Augen der Bescheidenheit. Nachrichten über die Welt sind nicht die Welt. Medien richten ihre Aufmerksamkeit wie ein starker Scheinwerfer auf die schlimmen Stellen – Kriegsgebiete, Umweltkatastrophen, Unfälle, Unruhen ... Ich sehe dort die Ausnahmen. Die Normalität wird nicht abgebildet.

 

Sind fünf der sieben Meldungen einer Sendung Umweltschäden, entsteht beim Zuschauen die Überzeugung, „die Welt geht kaputt“. Tut sie aber nicht. Denn die Nachrichten über die Welt sind nicht die Welt. Damit soll nichts verharmlost werden. Es gibt viel zu tun. Aber ich habe mir vorgenommen, angesichts schlimmer Meldungen nicht zu verzweifeln, sondern mir den Blick zu bewahren für die wahren Dimensionen.

 

Werner Tiki Küstenmacher, Baujahr 1953,  ist evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist, Buchautor und wohnt seit 1984 mit seiner Frau, der Autorin Marion Küstenmacher, in Gröbenzell.

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