Was ich von einem cleveren Gröbenzeller gelernt habe

Was ich von einem cleveren Gröbenzeller gelernt habe

Falls Sie einmal durch Gröbenzell kommen, sollten Sie nach dem „Stockwerk“ suchen und kurz hereinschauen. Dahinter verbergen sich drei Bürogebäude, die der Besitzer Christian Stock an verschiedene Firmen vermietet – voller pfiffiger Details, von denen man auch etwas lernen kann, wenn man kein Vermieter von Gewerbeimmobilien ist.

Jedem Besucher fällt auf, dass alle Gebäude aussehen wie neu. Dabei sind sie gut zehn Jahre alt. Das Geheimnis: Der Besitzer hat einen Vertrag mit einem Malermeister, der jeden Monat (und nach größeren Veranstaltungen) durch alle Häuser geht und auch die kleinsten Flecken, Kratzer oder Abschabungen an Wänden, Fenstern und Türen ausbessert. Resultat: Die Bewohner passen auf ihre schönen Räume enorm auf. Klemmt irgendwo ein Fenster, ist eine Leuchte ausgefallen oder tropft ein Wasserhahn, kann jeder das im hauseigenen Intranet unkompliziert melden, und es wird schnellstmöglich repariert.

Davon habe ich gelernt, dass auch wir zu Hause auf Hotelstandard gehen: Ist etwas kaputt oder hässlich, wird es sofort behoben – und wir verhindern mit geringem Aufwand, dass die geliebte Wohnumgebung verlottert. Wie Gebäude aussehen, wenn das jeden-Monat-ein-bisschen-Prinzip (meist aus Prinzip) abgelehnt wird, kann man in Schulen, Universitäten & Co. besichtigen.

Viele Firmen und Unternehmen haben von Zeiterfassung umgestellt auf Vertrauensarbeitszeit. In den meisten Branchen funktioniert das wirklich prima, verbessert das Betriebsklima und spart sogar den teuren Verwaltungsaufwand. Das Gröbenzeller Stockwerk geht noch einen Schritt weiter: Der Vermieter stellt gegen eine (Pflicht-)Pauschale allen Nutzern des Hauses Getränke und Obst zur Verfügung. Durch den zentralen Einkauf für über 60 Firmen ist das billiger und einfacher, als wenn jede Partei das selbst regeln würde.

Für mich ergibt sich daraus ein simplify-Tipp. Natürlich bieten Sie allen zu Hause gratis Essen & Trinken. Aber drapieren Sie probeweise das Obst so, dass jeder gerne davon nimmt. Stellen Sie Getränke richtig temperiert bereit, und bieten Sie Abwechslung. Gut möglich, dass Ihre lieben Mitbewohner den sonst selbstverständlichen Service mehr zu schätzen wissen – und sich vielleicht sogar einmal dafür bedanken.

Wenn Sie eines der Stockwerk-Häuser betreten, werden Sie glauben, in einer Hotellobby zu sein, oder einem Café, in dem gerade Pause ist. Das ist die Lounge, die von allen Mietern genutzt werden kann für den Empfang von Kunden und Geschäftspartnern, für Konzerte und Events. Dahinter befindet sich eine professionelle Gastroküche, zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Caterern. Im obersten Geschoss gibt es jeweils Konferenzräume, mit Loungebereich davor, außerdem einen Wellnessbereich mit Sauna und Ruheräumen. Alle Räume sind nach dem neuesten technischen Stand verkabelt, inklusive gekühlter Serverräume.

Auch in einer Wohnung gibt es private und Gemeinschaftszonen. Reden Sie einmal gemeinsam darüber: Was können wir in Küche und Essplatz, der Toilette oder der Familienlounge vor der Glotze verbessern? Damit sich dort alle wohl und dafür verantwortlich fühlen.

Auf stockwerk.de können Sie auch ohne eine Reise nach Gröbenzell staunen, wie chic dort alles aussieht. Der Chef verrät gern die niedrigen Preise der Designerausstattung, denn das meiste kommt aus großen günstigen Möbelhäusern oder (wie die Birkenstämme vor der Sauna) von Landwirten aus der Umgebung. Die originellen fransigen Wandbehänge: Badezimmerteppiche aus dem Möbelmarkt. Der witzige Kunstrasen an der Flurwand: Baumarkt. Die noblen Konferenzsessel im Lederlook: auch Möbelmarkt – aber nicht von Ikea (denn deren Sortiment ist den meisten Besuchern zu bekannt).

 „Stehlen mit den Augen“ lautet ein alter Gestalterrat. Besuchen Sie angesagte Locations und fragen Sie die Inhaber, wo die Sachen her sind. Häufig werden Sie staunen, wie edel zweckentfremdete günstige Massenartikel wirken, wenn sie originell platziert werden.

 

 

Werner Tiki Küstenmacher ist evangelischer Pfarrer im Ehrenamt, Karikaturist, Buchautor und wohnt mit seiner Frau, der Autorin Marion Küstenmacher, in Gröbenzell.

 

 

Frisch auf den Tisch

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Hinterm Gartenzaun

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